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Heimliche GrößenanpassungDie neue Bauchfreiheit

Die Deutschen sind dicker geworden, sagt eine Studie. Weil man mit dieser Nachricht schlecht Klamotten an die Kundschaft bringt, mogeln die Textilhersteller ein wenig beim Schneidern.

Die Bekleidungsstücke werden so nach und nach immer weiter. Bild: dpa

Berlin taz | Wer mit Besorgnis seinen Schwimmring in der Körpermitte betrachtet, kann sich nun beruhigt zurücklehnen. Es geht vielen so. Denn die Taillen der Deutschen sind dicker geworden. Allein bei Frauen haben sie in den vergangenen 15 Jahren um 4,1 Zentimeter zugelegt. Das ergibt die Reihenmessung, die das Textilforschungszentrum Hohenstein Institute in Bönnigheim für die Industrie durchgeführt hat.

Bild: taz

Den vollständigen Bericht über die Größenanpassung bei den Klamotten lesen Sie in der sonntaz vom 4./5. Juli. Am Kiosk.

Dieses Ergebnis bestätigt einen Trend, der sich schon länger beim Verkauf von Blusen, Kleidern und Hosen zeigt. "Die Anteile der größeren Größen haben zugenommen", sagt Studienleiter Martin Rupp der aktuellen sonntaz. Nicht dass die Frauen größer geworden sind, nur einen Zentimeter sind sie seit der letzten Reihenmessung im Schnitt gewachsen. Aber die Proportionen haben sich verändert: "Die Figuren werden gerader", erläutert Rupp.

So ist auch zu erklären, dass Frauen in mittleren Jahren, die sich in eine Filiale der Teenie-Modekette Zara wagen, das Geschäft bisweilen geschockt wieder verlassen, weil sie in den Blusen und Jacken ihrer Größen aussehen wie Presswürste.

Während die Frauen vor allem an der Taille zugelegt haben, weniger an Brust und Hüften, haben sich auch die Männer verändert: Ihr Taillenumfang wuchs in den letzten dreißig Jahren 4,4 Zentimeter. Die männliche Brust sogar um 7,3 Zentimeter. Ob dafür Fett oder Muskeln verantwortlich sind, ist ungeklärt.

Während sich bei den Frauen die Silhouette ein wenig "vermännlicht", ist bei den Männern eher eine "Verweiblichung" festzustellen, sagt Ute Detering, Professorin für Textil- und Bekleidungstechnik, der sonntaz.

Alle werden also etwas fülliger. Doch die Presseabteilungen der Modelabels reden nicht gerne darüber. Wörter wie "dicker" oder gar "älter" sind in den Modehäusern tabuisiert wie geheime Atomwaffentests. Eine Größenanpassung "nach oben" werde "keiner an die große Glocke hängen", erklärt Textilprofessorin Detering.

Außerdem möchten manche Hersteller von Jugendmode gar nicht, dass ihre Teile von "älteren oder gar fülligeren Menschen getragen werden, weil sie Angst haben um ihr Image", sagt eine Branchenexpertin, die lieber nicht namentlich zitiert werden will.

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2 Kommentare

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  • L
    Lillymona

    Deshalb ist auch die Hüftjeans die immer mehr den Nabel zeigt nicht totzukriegen.

    Bei normalen Jeans kriegen die Jungen ihre Kessel nicht mehr rein.

    Der Reißverschluss würde nicht zu gehen.

  • KS
    kleiner Spinner

    Interessant. Nach dem Lesen könnte man zunächst auf die Idee kommen, dass der allgemeine Schlankheitswahn, gleich der allgemeninen Schlankheit, eine mediale Erfindung ist. Das erscheint mir unwahrscheinlich, deshalb wüsste ich gerne noch, wie sich die Streuung entwickelt hat.