Heavy-Metal-Sänger Mille über Bataclan: „Das zielt auf die Subkultur“

Wie verändern die Pariser Anschläge die Musikszene? Miland „Mille“ Petrozza von der Metal-Band Kreator über das attackierte Bataclan.

Mann mit langen Haaren und Gitarre singt in ein Mikrofon

Kreator-Sänger Miland „Mille“ Petrozza: „Ich würde sofort wieder dort auftreten.“ Foto: Nuclear Blast Records

taz: Miland Petrozza, welche Folgen ­haben die Pariser Anschläge für die Musikwelt und für die Atmosphäre auf Konzerten?

Miland „Mille“ Petrozza: Ich hoffe, sie haben keine allzu großen Folgen. Manche Bands haben Konzerte oder Touren abgesagt. Das kann ich auch irgendwie verstehen. Ich selbst finde aber, man sollte jetzt erst recht spielen. Wir sollten uns unser Leben nicht von diesen Wahnsinnigen diktieren lassen. Ich will positiv in die Zukunft blicken.

Müssen wir uns zumindest in der nächsten Zeit an mehr Polizei, Security und lange Warteschlangen vor Clubs gewöhnen?

Nein, das glaube ich nicht. Es ist relativ einfach, in so einen Club reinzukommen – da würden auch keine Polizeiwagen helfen. Wer so etwas machen will, der schafft dies auch. Wir touren jetzt bald durch Weißrussland, Russland, Mexiko und Chile. Man denkt nun mehr über die Sicherheit nach.

Wie war Ihre erste Reaktion, als Sie von dem Anschlag erfuhren?

Wenn man die Location kennt, trifft einen das natürlich anders. Man führt sich den Ort noch mal vors geistige Auge. Ich war fassungslos – und ich finde es noch immer unbegreiflich. Gerade das 11. Arrondissement habe ich gut in Erinnerung; das ist wahrscheinlich die Gegend, wo jeder von uns ausgehen würde, da gibt’s Cafés und Kneipen, vegane Restaurants.

47, ist Gründer, Gitarrist und Sänger der Band Kreator. Er lebt in Essen und hat, von Kreator abgesehen, in den 90ern mit Phillip Boa and the Voodoocult gespielt sowie zum Beispiel an Produk­tionen der Grindcore-Band Japanische Kampfhörspiele oder In Extremo mitgewirkt.

Was ist das Bataclan für ein Ort?

Das Bataclan ist ein superschönes Theater. Es ist etwas Besonderes, dort zu spielen. Da spürt man eine gewisse Aura – das soll jetzt nicht esoterisch klingen. Es ist eben ein altehrwürdiger, historischer Ort. Nach diesen tragischen Ereignissen wird der Club nie mehr derselbe sein. Wir haben 2012 und 2014 dort gespielt, vor allem das letzte Konzert habe ich noch sehr gut in Erinnerung; da waren Freunde da.

Haben diese Anschläge eine neue Qualität?

Sie gehören zu den bekanntesten deutschen Metal-Bands und sind dem in den frühen 80ern populären Subgenre des Thrash Metal zuzuordnen. Die 1982 gegründete Band aus Essen hat insgesamt 13 Studioalben veröffentlicht, das bislang letzte, „Phantom Antichrist“, erschien 2012 und schaffte es auf Platz 5 der deutschen Charts. Interna­tional haben sie aber mindestens eine genauso große Fangemeinde wie in Deutschland, sie ­spielen Konzerte in aller Welt. Ende 2012 und Ende 2014 haben sie im Pariser Bataclan gespielt.

Man ist viel näher dran, als wenn zum Beispiel Politiker ange­griffen werden, das ist einfach so. Das zielt auf die Subkultur, viele von uns hätten ebenso gut dort sein können wie die Besucher an diesem Abend. Dieser Anschlag sollte ins Herz der Kultur zielen.

Haben Sie Bilder von dem Anschlag gesehen?

Ich habe im Fitnesstudio eine Bild-Zeitung liegen sehen, und da sah ich dieses große Foto, auf dem die Leichen zu sehen waren, die im Bataclan lagen. Pie­tätloser geht’s nicht. Ich habe als Musiker immer die Bilder eines Clubs mit leeren Bierbechern vor Augen – mir ist wirklich übel geworden, als ich diese Fotos sah.

Haben Sie in der Band bereits über Paris gesprochen?

Bislang nicht, weil ich gerade eine Auszeit vom Songschreiben nehme und wir uns noch nicht gesehen haben. Innerhalb der Crew werden wir aber sicher darüber sprechen. Wir haben auch schon eine Vorgeschichte mit Kreator: Nach einem Amoklauf im Alrosa Villa Club in Columbus, Ohio, bei dem vier Leute – unter anderem Dimebag Darrell von Pantera – getötet wurden, haben wir dort gespielt. Auch das war schon gruselig.

Was ändert sich für Sie nach so einem Anschlag?

Es gibt einem zu denken. Es ist einfach mein beruflicher Alltag, auf Bühnen zu stehen. Ich habe diese Woche meine Mutter getroffen, und die hat auch gesagt, sie hätte sofort an mich gedacht.

Wenn es die Möglichkeit gäbe, jetzt wieder im Bataclan zu spielen – würden Sie dann zusagen?

Natürlich! Ich hoffe, die Betreiber eröffnen das Bataclan bald wieder, alles andere käme einer Kapitulation vor den Irren gleich. Ich würde sofort wieder dort auftreten, falls uns jemand fragt. Es wäre bestimmt komisch, da wieder zu spielen, aber auf der Bühne vergisst man das Drumherum sowieso.

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