Havarie in „Gigafactory“ von Tesla: 15.000 Liter Chemikalien ausgelaufen
Streit nach Havarie in der Tesla-Fabrik: 15.000 Liter Chemikalien sind in der Lackiererei ausgelaufen. Verbände fordern Aufklärung
Nur 20 Tage hat es gedauert, bis es nach der Eröffnungsshow von Elon Musk unter Teilausschluss kritischer Presse den ersten Zwischenfall in der Tesla-Fabrik in Grünheide gab. Am 11. April sind laut Landesumweltbehörde Brandenburg 15.000 Liter Chemikalien in der Lackiererei des Werks ausgelaufen. Zunächst hieß es von der Behörde, dass von dem wassergefährdenden Stoff nichts ins Freie geraten sei, geschweige denn im Boden der im Trinkwasserschutzgebiet gelegenen Fabrik versickern konnte.
Konkret erklärte das Landesumweltamt, dass beim Befüllen eines Behälters in Teslas Lackiererei eine Flüssigkeit ausgetreten sei, weil ein Ventil nicht geschlossen war. Die Rede war von menschlichem Versagen. Die Flüssigkeit sei jedoch vollständig im Auffangbehälter der Lageranlage gesammelt und von einem durch Tesla beauftragten Versorgungsunternehmen abgepumpt worden.
Das stimmte aber nicht ganz. Denn ein danach von der Ökologisch-Demokratischen Partei Brandenburg (ÖDP) veröffentlichtes Foto zeigte, dass sich eine Lache rotbrauner Flüssigkeit offenbar auch auf der Werkstraße vor der Lackiererei ausgebreitet hatte und dort auf einer Regenrinne neben einer Kiesfläche stand.
Die Behörde wiegelte daraufhin erneut ab: Das Foto stamme vom Tag nach dem Unfall und die Lache sei auf einen Fehler der Entsorgungsfirma zurückzuführen. Die Flüssigkeit vor dem Hallentor sei ausgetreten, weil die Abpumpschläuche nicht restentleert waren. Als der Entsorger die Schläuche am Tag nach dem Unfall abholen wollte, seien diese ausgelaufen. Dabei seien auch „2 bis 3 Liter“ Flüssigkeit auf die befestigte Zufahrt der Lackiererei gelaufen, die daraufhin großflächig mit Bindemitteln aufgenommen worden seien, was auch auf dem Foto zu sehen sei.
Umweltbehörde spricht von „Betriebsstörung“
Die Umweltbehörde geht weiter nicht von einem schwerwiegenden Störfall aus, sondern spricht lediglich von einer Betriebsstörung. Die verschmutzte Regenrinne und Zufahrt seien vollständig gereinigt worden. Es sei kein Material in die Schmutzwasserkanalisation oder in das Grundwasser gelangt, heißt es von Thomas Frey, Sprecher des Umweltministers Axel Vogel (Grüne). Anfallendes Regenwasser werde derzeit in einem Löschwasserrückhaltebecken gesammelt und beprobt.
Für Streit sorgt der Vorfall dennoch: Umweltverbände sowie ÖDP forderten Aufklärung und die Einhaltung von Sicherheitsvorkehrungen. Thomas Löb, Landeschef der ÖDP, forderte zudem eine ordentliche Werksfeuerwehr. Bislang sei lediglich eine Betriebsfeuerwehr im Einsatz, an deren Ausstattung und Fähigkeiten es zuletzt auch Kritik gegeben hatte. Löb forderte, dass Tesla bei Vorfällen künftig sofort Nachbarschaft und Offentlichkeit informieren müsse. Zudem hätte der zuständige Wasserverband Strausberg-Erkner unverzüglich von Tesla informiert werden müssen, so Löb. Der Wasserverband hatte das ebenfalls nach dem Unfall deutlich kritisiert.
Unklar ist bislang ebenfalls, was genau für eine Substanz ausgelaufen ist. Laut Umweltbehörde handelte es sich um ein „Behandlungsbad aus der Elektrotauchlackierung“. Die genaue Zusammensetzung sei jedoch „Geschäftsgeheimnis“ von Tesla. Tesla hüllt sich in Schweigen und lässt Presseanfragen wie gewohnt unbeantwortet.
Unstimmigkeiten über die Havarie gab es auch wegen Drohnenaufnahmen des Werks durch Umweltschützer, die an der Unfallstelle bereits am 10. April einen Fleck entdeckt hatten, einen Tag vor dem Unfall. Aus dem Landesamt für Umwelt hieß es diesbezüglich: Nach erneuter Rücksprache mit Tesla handele es sich bei dem Fleck vom 10. April um einen täglich mit Frischwasser durchgeführten Funktionstest einer Löschwasserpumpe. Die Durchsicht vorheriger Aufnahmen bestätigten die Angaben, wie Sprecher Frey sagte.
Teslas jüngsten Rekordumsätzen zum Trotz läuft in der Produktion von Grünheide offenbar längst noch nicht alles „giga“. Eigentlich wollte Firmenchef Elon Musk hier 500.000 Fahrzeuge pro Jahr bauen. Die Produktion wird allerdings erst allmählich hochgefahren, wie Firmenchef Musk laut dpa durchblicken ließ. An anderen Standorten habe es demnach bis zu 12 Monate gedauert, bis man ein Produktionsniveau von 5.000 Autos pro Woche erreicht hätte – hochgerechnet wäre das nur die Hälfte des jährlichen Produktionsziels in Grünheide.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin