Hausarbeiten ohne Schummeln: Wer kopiert, der fliegt
Früher hieß es Abschreiben, heute „Copypasten“: Baden-Württembergs Hochschulen können demnächst Studenten exmatrikulieren, die Plagiate als eigenen Text ausgeben.
STUTTGART taz Baden-Württemberg reformiert gerade hunderte von Seiten an Hochschul-Gesetzen. Die vergleichsweise kleine Änderung eines Paragraphen zur „wissenschaftlichen Redlichkeit“ zieht dabei besondere Aufmerksamkeit auf sich: Hochschulen dürfen künftig Studenten exmatrikulieren, wenn sich ihre Arbeiten als Plagiate herausstellen oder sie anderes „schweres wissenschaftliches Fehlverhalten“ an den Tag legen.
Das Gesetz wird allerdings nicht zur Folge haben, dass künftig jeder, der in einer Klausur abschreibt, von der Uni fliegt. Es geht im Kern um die Praxis, Hausarbeiten komplett oder in Teilen einfach aus dem Internet zu kopieren und als eigene Arbeit auszugeben.
Wer dabei erwischt wird, der hat künftig nicht einfach eine Prüfung nicht bestanden, ihm droht ab März 2009 per Gesetz explizit der Rauswurf. Das Wissenschaftsministerium, dass den Entwurf vorlegte, erhofft sich eine Signalwirkung.
Grundsätzlich gegen die Regelung ist niemand – doch während sie etwa die Universität Karlsruhe uneingeschränkt begrüßt, melden sich Studentenorganisationen kritisch zu Wort. Einige Fachschaften fordern, es müssten bei derart harten Maßnahmen unabhängige Kommissionen Entscheidungen von Rektoren zur Exmatrikulation prüfen können – sonst bleibt den Betroffenen nur der Gang vor ein Verwaltungsgericht.
„Die Initiative finde ich zu hart“, sagt auch der Generalsekretär des Deutschen Studentenwerkes, Achim Meyer auf der Heyde. Natürlich müssten Studenten wissenschaftlich arbeiten, allerdings müssten klare Kriterien gelten, wann eine Hochschule zum Mittel der Exmatrikulation greifen darf und wann nicht.
„Grundsätzlich sind wir dafür, haben aber die Befürchtung, dass die Regelung zu exzessiv ausgelegt wird“, sagt Hermann Schmeh, Sprecher der Studierendenvertreter von der Landesastenkonferenz. Zudem sei der Begriff „Plagiat“ viel zu unbestimmt. Liegt bereits ein Plagiat vor, wenn ein Student einen Abschnitt aus einer anderen Arbeit ohne Quellenangabe kopiert?
Schmeh, Student der Geschichte, gibt zu bedenken: Manchmal formuliere man in einer Arbeit einen Gedanken und findet erst nach Abgabe heraus, dass ein anderer bereit die gleiche Idee hatte.
Allerdings zieht das Gesetz auf Fälle dreisten Kopierens ab, wie sie die Plagiat-Expertin Debora Weber-Wulff, Professorin für Medieninformatik an der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, seit Jahren bekämpft.
Sie begrüßt die Baden-Württembergische Initiative, verweist aber auf das Problem, dass auch Professoren abschrieben. Weber-Wulff veröffentlicht im Internet einen ausführlichen Online-Kurs „Fremde Federn finden“, bei dem Lehrkräfte lernen, wie Plagiate zu erkennen sind.
Wie verbreitet Plagiate sind, dazu gibt es keine exakten Untersuchungen. Weber-Wulff berichtet auf ihrer Homepage von Extremfällen, bei denen ein Kollege unter den Arbeiten von 50 Studenten 20 Plagiate entdeckt hatte. Als er die Studenten aufforderte, ihre Missetat zu gestehen, meldeten sich gleich 25 bei ihm.
Solche Redlichkeit beim Betrügen zahlt sich in Baden-Württemberg künftig auch finanziell aus: Falls man nach wenigerals einem Monat Semesterdauer von der Uni fliegt, bekommt man die Studiengebühren des Halbjahres komplett zurück – danach nur noch anteilig.
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