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Hau ihn wech, Detlev!

■ An-, zu- und abtreten: Nach vier Stunden Tai- und Kickboxen holte Detlev Döring seinen Deutschen Meistertitel zurück

Geld ist mit Thai- und Kickboxen nicht zu verdienen. Im Fernsehen zeigen sie zwar gern amerikanische Wrestling-Größen, aber wenn es ernst wird, hört der Spaß auf. So ist auch für Sponsoren wenig Anreiz vorhanden, zu investieren. Der Thai- und Kickbox-Abend am Sonntag im Modernes hatte zwar trotzdem einen Sponsor, aber die Hersteller des Playsafe-Gebißschutzes dürfen doch als recht spezialisiertes Unternehmen betrachtet werden. Die Preisgelder waren entsprechend mager: Nur Sela Gülsel und Detlev Döring, die den Hauptkampf bestritten, bekamen überhaupt eine Gratifikation. Dem Rest bleibt nur, sich langsam nach oben zu kämpfen. Überdies gibt es nichts als den Ruhm und die Ehre.

Das ist anscheinend Anreiz genug, sich mit Händen und Füßen zu vermöbeln. Ganz ungefährlich ist dieser Kampfsport schließlich auch nicht. Am Sonntag gab es zwar keine gravierenden Verletzungen, aber Dinge wie ein Tritt in die Lenden oder eine aufgeplatzte Narbe über dem Auge sind hier doch wahrscheinlicher als die klassische Sportverletzung.

Und wo echt gekämpft wird, kochen auch echte Emotionen hoch. Nicht wie beim Catchen, wo sich zwar tüchtig gehen gelassen wird, aber niemand wirklich davon ausgeht, daß es einen Kämpfer bis ins Mark trifft, wenn er verliert, oder wenn er aufgeben muß, weil ein Treffer genau dahin ging, wo er hin sollte. Catch-Fans haben zwar auch ihre besonderen Lieblinge, aber das ist doch eher eine recht willkürliche Geschmacksentscheidung. Beim Kampf um den deutschen Meistertitel, den Sela Gülsel (Neu-Isenburg) und Detlev Döring (Bremen) über fünf Runden ausfochten, ging es nicht um Geschmack, sondern um Nachbarschaft. Familien, Homies und Vereinskollegen unterstützten ihre Favoriten, und eines tödlich verunglückten Sportkameraden wurde mit Blick gen Himmel gedacht. Bleibende Werte, die offensichtlich hoch im Kurs stehen. Döring, der im Vorjahr den Titel an Gülsel abgeben mußte, holte ihn in einem harten Kampf zurück, getrieben von seinen Fans, die ihn mit „Hau ihn wech“-Rufen anfeuerten, und von dem Ziel, seine Laufbahn mit dem Titelgewinn zu krönen. Als er gewonnen hatte, verabschiedete sich der 35jährige nämlich aus dem Ring. Dabei wäre der Kampf in der letzten Runde beinahe abgebrochen worden, weil die mitgereisten Anhänger von Sela Gülsel ihren Favoriten bereits verlieren sahen und erst von der recht eindrucksvollen Security und durch einen beherzten Rüffel Gülsels zur Räson gebracht werden mußten.

Ach ja, der Ringrichter sprach da auch noch ein gewichtiges Wörtchen mit. Ein Mann, der mindestens 1,90 Meter maß, die Situation im Ring in jeder Sekunde unter Kontrolle hatte und auch so aussah als könnte keiner der Kämpfer ihm irgendein Problem bereiten. Immer ein väterlicher Ruhepunkt im Ring, wo es unter Dauerbeschallung mit hypnotisch kreiselnder Orient-Mucke nicht selten sehr schnelle Schlagabtäusche gab.

Das wohl zur Auflockerung gedachte Rahmenprogramm mit Kung Fu wirkte eher als Stilbruch. Stille wurde verlangt, als sich der Meister von gleich drei Herren in den Wanst boxen ließ, mit verbundenen Augen einem seiner Schüler eine Gurke auf dem Leib zerschnippelte oder Holzknüppel an sich zerschellen ließ. Natürlich alles, ohne eine Miene zu verziehen.

Richtig spannend wurde es trotzdem erst wieder, als geboxt wurde. So spannend, daß sich niemand am Rauchverbot im Saal störte und sich nur ein paar sporadische Gestalten zum Rauchen auf die Toilette zurückzogen (wie damals in der Schule).

Andreas Schnell

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