berliner szenen: Hat immer noch geballert
Die S-Bahn fährt durch Fly-Over-Land, wie es in Amerika heißt. Ein arroganter Ausdruck für den Teil der USA, den man nur mit dem Flugzeug übermisst. Unten Trump-Wähler, unbesiedelte Weiten, the other half. Für mich heute Nacht der Ausdruck für Teile von Berlin, wo ich sonst nie hinkomme, zwischen dem S-Bahn-Ring und den angenehmen Vierteln von Berlin j.w.d., wo gut betuchte Freunde es sich nett machen. Wie in Friedrichshagen, wo ich heute Abend zum Essen eingeladen war. Irgendwo hier müssen die wahren Berliner leben.
In Karlshorst setzen sich zwei blasse, hagere Jungs mir gegenüber. Jogging-Hose, das 5-Zoll-Smartphone zeichnet sich durch die Fronttasche ab. Der eine steht an jeder Station auf, überblickt den Wagen. Der andere: „Wenn ich nochmal schwarzfahre, machen mich meine Eltern kalt. Nach den 400 Euro.“ Der andere: „Ich erkenne Kontrolettis auf 200 Meter.“ Er setzt sich wieder hin. „Zivilbullen auch.“
Der eine: „Die können ja daran lutschen.“ Er greift in die Tasche seiner College-Jacke, wurstelt Krümel raus: „Riech mal dran. Reicht schon. Neulich bei Alex war die Pfeife schon kalt. Hat aber immer noch geballert.“ Alex war aber auch schon mal krasser, erfahre ich. Seit er bei den Babos kauft, ist es nicht mehr so gut. Der andere fährt mit der Hand gen Himmel, lässt sie dann herunterfallen. „Das ist mit diesen Dudes immer so. Erst ganz oben, dann …“ Er macht mit dem Mund ein furzendes Geräusch, während seine Hand in seinem Jogginghosen-Schritt landet.
Morgen geht’s zu Jackie, erfahre ich. „Wenn die mit dem Konfi fertig ist“, sagt der Andere. Der Eine: „Hä?“ Als die Türen in Rummelsburg aufgehen, erklärt der andere dem einen, was Konfirmandenunterricht ist. Der Eine so: „Fuck, ich bin echt der einzige Kathole hier. Voll belastend.“ Tilman Baumgärtel
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