"Hasserfüllt, bedrohlich und obszön": Facebook löscht Anti-NPD-Seite
Das soziale Netzwerk Facebook hat die Fanseite eines Blogs, der kritisch über die rechtsextreme Szene berichtet, gelöscht. Nachfragen blieben bisher unbeantwortet.
Seit dem Wochenende ist bei Facebook die Seite "NPD-BLOG.INFO" nicht mehr zu finden. Die Internetplattform hat den Blog, der kritisch über die rechtsextreme Szene berichtet, aus dem sozialen Netzwerk gelöscht. Am Freitagabend erhielt der Betreiber des Blogs, Patrick Gensing, die Nachricht von der Löschung. "Kritische Berichte zur NPD scheinen bei Facebook unerwünscht, während die NPD-Facebookseite selbst nach Protesten nicht abgeschaltet wurde", sagt Gensing der taz.
In der Email an Gensing führt Facebook nur an, dass Seiten nicht gestattet seien, die hasserfüllt, bedrohlich und obszön seien. Wie sein Anti-NPD-Blog diese Ausschlusskriterien erfülle, ist Gensing schleierhaft. Eine Warnung, dass gegen die Regeln verstoßen worden sei, gab es zuvor nicht. "Meine Nachfrage bei Facebook ist bisher unbeantwortet geblieben", sagt er. Nachfragen der taz beim Pressekontakt von Facebook blieben bis zum Sonntag ebenso unbeantwortet. "Selbst wenn es ein Versehen sein sollte, ist es unglaublich, da die NPD-Seiten weiter unbehelligt bleiben", betont Gensing.
Anfeindungen ist der Journalist indes gewohnt - allerdings aus der rechtsextremen Szene. Vor fünf Jahren, 2005, ging er mit dem NPD-Blog im Internet online. Täglich berichtet er, längst unterstützt von weiteren Autoren, über die Szene von NPD bis Burschenschaften. 2007 wurde der Blog für den Grimme Online Award und für den Goldenen Prometheus in der Kategorie "Online-Journalist des Jahres" nominiert. In der Kategorie Internet des Axel-Springer-Preises für junge Journalisten erreichte Gensing 2009 den dritten Platz.
Bei Facebook war der NPD-Blog erst vor knapp drei Monaten online gegangen. Schnell fand er über "1.000 Freunde". Sich bei Facebook zu präsentieren war auch der Überlegung geschuldet, der NPD-Präsenz in dem Netzwerk entgegenzuwirken. Im Mai dieses Jahres hatte die Gruppe "Kein Facebook für Nazis" bei Facebook versucht, die NPD-Seite abgeschaltet zu bekommen. Hunderttausend User forderten die Abschaltung, ein Online-Flashmob fand statt – bisher ohne Erfolg. Mittlerweile hat die Gruppe allerdings fast 400.000 Freunde.
In den vergangenen Jahren hatte Jugendschutz.net, die zentrale Stelle der Bundesländer für den Jugendschutz im Internet, darauf aufmerksam gemacht, dass sich Rechtsextreme gezielt in sozialen Netzwerken verankern - um Meinung zu machen und Zuspruch zu finden. Sie versuchen auch bei anderen Netzwerken ihre Ziele zu präsentieren. In der Märzausgabe der NPD-Monatszeitung Deutsche Stimme rief die Partei unter dem Titel "Die NPD in der virtuellen Welt" auf, diese Portale zu nutzen. Ein Funktionär betonte: "So wird erst möglich, dass Ihr von möglichst vielen Menschen entdeckt, kennengelernt und kontaktiert werdet". Bei Facebook ist die NPD seit zehn Monaten online und hat "3.000 Freunde".
Am Montag startet die Amadeu-Antonio-Stiftung eine Kampagne gegen die Neonazis in den sozialen Netzwerken, unterstützt von vielen bekannten Betreibern – Facebook ist nicht dabei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen