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Hartz IVJustizsenatorin erwartet Klage-Tsunami

Die Wut der Betroffenen wächst, die Qualität der Hartz-IV-Bescheide sinkt. Und die Zahl der Klagen vor dem Sozialgericht steigt weiter.

Werden immer mehr: Hartz-IV-Klagen in der Poststelle des Sozialgerichts Bild: DDP

Die Klageflut gegen Hartz-IV-Bescheide steigt unaufhaltsam an: Zwischen dem Einführungsjahr 2005 und 2009 hat sich die Zahl der Verfahren in Berlin bereits vervierfacht. Doch das wird längst nicht der Höchststand sein. Denn die Bereitschaft zu Klagen wächst weiter. Und nach der anstehenden Reform der Jobcenter rechnet Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) gar mit einem "Klage-Tsunami".

"Der Ausnahmezustand ist zur Regel geworden", resümierte Sabine Schudoma, Präsidentin des Sozialgerichts, am Freitag in ihrer Fünf-Jahres-Bilanz. Klagen gegen die Arbeitsmarktreform machen jetzt fast 70 Prozent aller Verfahren im Sozialgericht aus.

In dieser Woche ging die 86.000. Beschwerde gegen einen Hartz-IV-Bescheid ein. Häufigster Streitpunkt ist die Übernahme der Wohnungskosten. "Das Gesetz lässt grundlegende Fragen offen, etwa bis zu welcher Grenze die Jobcenter eine Wohnungsmiete übernehmen müssen", erklärte Schudoma. Auslegungsspielraum gebe es im Gesetz ebenfalls bei der Anrechnung von erzieltem Einkommen und bei der Rückforderung zu viel bewilligter Leistungen. Auch die Justizsenatorin kritisiert die Schwammigkeit. "Das Gesetz ist so unpräzise formuliert, dass es für die Mitarbeiter der Jobcenter schwer ist, dies umzusetzen", sagte von der Aue.

Mehr als eine halbe Million Berliner erhalten sogenannte Hartz-IV-Leistungen. Darunter fallen einerseits erwerbsfähige Bezieher von Arbeitslosengeld II und andererseits Sozialhilfeempfänger, die aufgrund ihres Alters oder einer Berufsunfähigkeit nicht erwerbsfähig sind. Allein 2009 gingen beim Sozialgericht 26.750 Klagen gegen Bescheide ein, ein Zuwachs um 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Rund die Hälfte aller Kläger erzielt zumindest einen Teilerfolg.

"Der Druck und die Wut der Leute wächst und sie sehen, dass viele mit ihren Klagen Erfolg haben", erklärt die Caritas-Sozialberaterin Hilda Völk-Cornelius den enormen Anstieg von Klagen.

Die Bereitschaft der Betroffenen, sich zu organisieren und Bündnisse und Betroffenenvereine gegen Hartz IV zu gründen, sei deutlich gestiegen, hat die Anwältin Simone Krauskopf festgestellt. "Das politische Bewusstsein wächst, sich zu wehren", erklärt die Anwältin, die viele der Kläger vertritt. Zudem seien zunehmend Menschen aus dem Mittelstand von Hartz IV betroffen. Die würden sich eher trauen, gegen Ungerechtigkeiten vor Gericht zu ziehen.

Die Jobcenter werden wegen fehlerhafter Berechnungen verklagt, aber auch wegen nicht fristgemäßer Bearbeitung von Anträgen und Widersprüchen. Die Sozialgerichts-Präsidentin Sabine Schudoma fordert deshalb arbeitsfähige und funktionsfähige Jobcenter. "Mit großer Sorge verfolge ich die Diskussion um die Organisationsstruktur der Jobcenter", sagte die Präsidentin. Über die Neuorganisation wird seit zwei Jahren auf Bundesebene diskutiert. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2007 die Mischverwaltung der Jobcenter durch die Bundesagentur für Arbeit und die Kommunen für verfassungswidrig erklärt. Eine Neuregelung muss bis Ende dieses Jahres erfolgen.

Die SPD hat eine Legalisierung der Mischverwaltung durch eine Grundgesetzänderung vorgeschlagen. CDU und FDP einigten sich in den Koalitionsverhandlungen aber darauf, eine Lösung ohne Grundgesetzänderung anzustreben. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) plant, dass Kommune und Bundesagentur getrennt arbeiten, aber "freiwillig" kooperieren sollen.

"Dann wird aus der Klagewelle ein Klage-Tsunami", befürchtet Justizsenatorin von der Aue. Denn dann würden die ALG-II-Bezieher zwei Bescheide bekommen, die durch die unpräzisen Gesetze einander widersprechen könnten. Auch Sozialsenatorin Carola Bluhm (Linke) rechnet mit einer massiven Zunahme von Gerichtsverfahren. "Anstatt dieses bürokratische Monster Hartz IV zu reformieren, werden Zuständigkeiten auseinandergerissen und damit noch mehr Klagemöglichkeiten geschaffen", sagt Bluhm.

Die 20 zusätzlichen Richterstellen für das Sozialgericht, die im Doppelhaushalt 2010/11 vorgesehen sind, dürften dann längst nicht ausreichen.

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5 Kommentare

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  • HS
    Hartz4 Selbstmordkandidat

    Sehr geehrte Leser und Arge-Gegner und Arge-Befürworter nebst Betroffene ...ich habe lange genug alles objektiv sehen wollen, doch ich musste die rosarote Brille abnehmen, aufgrund vieler Probleme in meinem Leben, für die ich die ArGe verantwortlich mache...

     

    Es ist eine Sauerei, was da passiert, falsche Berechungen, für die immer wieder ein neuer Bescheid per Post gesendet wird, kostet ja nichts zahlt ja der Staat. Intensivkurse für Menschen ab 50 ( wohl wird da etwas geklüngelt ) ausserdem diskriminierend, da man unmündig behandelt wird.

    Ich kann mir nicht vorstellen, das noch irgendeiner einen Durchblick hat, bei den vielen Gesetzen und Paragraphen, aber anstatt sich gegenseitig als Symbiose zu sehen und Lösungen zu suchen. Dafür zu sorgen,dass JEDER auch die Möglichkeit hat, eine Antwort auf anstehende Fragen zu bekommen. Statt

    dessen kriegt man einfach kein Geld für das Notwendigste der Notwendgkeiten, aufgrund von Behauptungen, die nicht gesetzmässig der Wahrheit entsprechen. Aber Geld gesperrt in meinem Fall nicht das erste Mal, trotz meiner Bemühungen zwischen Krankheit und dem Albtraum von Bewerbungen um der Mitwirkungspflicht nachzukommen, wird grundsätzlich schikaniert. Kein Geld, keine Kopien, keine Fahrten, keine 10 Euro Praxisgebühr, keine Medikamente, keine Bewerbungen die man per Post raussenden kann, kein Essen,kein Toilettenpapier....

    kein Strom, letzlich kein Telefon. Wenn dieser Kreis endlich von einem guten Gesetz ein Ende finden kann, denn so wie es ist, ist es fast wie im dritten Reich. Diskreminierung, Betrug, Behörden dürfen alles ohne Konsequenzen, Bitten werden ignoriert, man wird grundsätzlich entmündigt.

    Selbst die Klagen, wie lange dauert es sein Geld dann zu bekommen, 3 Monate las ich ?

    In der Zwischenzeit benötigt man Medikamente, und wird wohl zum Junkie, und das auf Kosten des Staates, denn ohne Depressionen oder Ängste bleibt nur die Offensive. Es sind Übertretungen lt. Grundgesetz, es sind Diskriminierung, es ist Betrug und bei Krankheit ist es Körperverletzung und bei Selbstmord auch noch Totschlag bzw Mord...also hat es lange nichts mehr mit Sozialrecht zu tun...das ist eine Strafsache....................

    und diese fast 100.000 Klagen an das Sozialgericht, wer bezahlt, dass denn wieder? Ich sehe nur, dass dies alles geplant ist, und die Verantwortlichen verstecken sich hinter Ignoranz und blödes Dahergerede und den sogenannten Gesetzen um die Hartzis weichzuklopfen...es ist nicht nur eine Sauerei, es ist ein Verbrechen, und das im Namen von SGB...neue Gesetze müssen Betroffene schützen und nicht zu Freiwild der Willkür von BEAMTEN zu machen, die teilweise selbst nicht durchblicken wie sie Menschen langsam gefügig machen und letzlich jeglichen Wunsch und Bemühungen nichtig machen.

    Mein Bemühen ist durch das schizophrene Geschreibsel der ArGe eingefroren, völlig gedämpft. Anstatt einem zu helfen dass man es schafft aus dem ArGe Kreislauf herauszukommen, wird man vorsätzlich zu einem Zombie gemacht. Hilft das dem Staat wirklich?

  • IH
    Ingeborg Henker- Kelsch

    Siehe mein heutiges Schreiben an Frau Dribbusch

  • TE
    Thomas Eder

    Aus zuverlässiger Quelle weiss ich was bei den Argen los ist. Da wird das Personal augedünnt und Stammpersonal nach und nach durch schlecht qualifiziertes Personal ersetzt, welches zudem noch keinen festen Arbeitsvertrag bekommt, sondern einen welcher mit "Sachgrund" immer wieder verlängert wird.

    Was soll das schon dabei rauskommen!?

    Wir sparen uns zu Tode, aber hauptsache die Banken und und anderes Gesockse bekommen alles in den fetten A...

    geschoben!

    Soviel kann ich gar nicht fressen wie ich kotzen möchte!

    ....und nein ich bin kein Betroffener

  • W
    Wolfgang

    Hartz IV = Tagessatz 11,97 €, Aufschlüsselung: 1. Nahrungsmittel und Getränke 4,42 €; 2. Bekleidung und Schuhe 1,14 €; 3. Wohnen (Rep./Instantsetzung), Strom, Gas 0,89 €; 4. Einrichtungsgegenstände (Möbel), Apparate, Geräte und Ausrüstungen für den Haushalt 0,92 €; 5. Gesundheitspflege 0,54 €; 6. Nahverkehr (Berlin) 0,74 €; 7. Nachrichtenübermittlung 0,75 €; 8. "Freizeit, Unterhaltung und Kultur" 1,29 €; 9. Beherbergungs- und Gaststättenleistungen 0,44 €; 10. "Andere Waren und Dienstleistungen" 0,84 € / Tagessatz 11,97 € x 30 Tage = 359 Euro. Im Jahresverlauf werden an 5 Tagen, a. 11,97 € = 59,85 Euro staatlich millionenfach unterschlagen!

  • DA
    Dr. Angela Tucek

    Die Behauptung von H. Alt, falsche Bescheide gingen auf die Inkompetenz der Mitarbeiter zurück, klingt jedenfalls wie eine (dumme) Ausrede. Ich kenne einen sog. Sachbearbeiter, der Wirtschaftswirt ist u. seit vielen Jahren bei ARGE. Er zahlt zu hohe Nebenkosten in der Hoffnung, dass der Leistungsempfänger so auch zerrieben wird, da Vermieter sich über Rückforderung ärgert.