Hartz IV: "Irren ist amtlich"

Schlecht erreichbare Mitarbeiter, unverständliche Bescheide: Wohlfahrtsverbände und Sozialexperten kritisieren die Arbeit der Jobcenter.

Die Leistung der Jobcenter ist oft miserabel. Bild: Heribert Pröpper/AP

Unverständliche Bescheide, zu lange Warteschlangen und unqualifizierte Mitarbeiter: Auch fünf Jahre nach Einführung der sogenannten Hartz-IV-Gesetze klagen Langzeitarbeitslose über die schlechte Arbeit der Jobcenter. Dieses Fazit zog Frank Steger, Geschäftsführer des Berliner Arbeitslosenzentrums evangelischer Kirchenkreise (Balz) am Freitag, als die Tour eines Beratungsbusses für hilfesuchende Arbeitslosengeld-II-Bezieher endete. Die Tour wurde in diesem Jahr erstmals wissenschaftlich begleitet und von der Ende vergangenen Jahres gegründeten Landesarmutskonferenz unterstützt.

Mit dem Slogan "Irren ist amtlich" hatte der Bus sechs Wochen lang vor den zwölf Jobcentern der Bezirke Beratung angeboten. Werbung hatte die durch Spenden finanzierte Aktion gar nicht nötig, denn der Andrang war wie in den Vorjahren groß: 800 Beratungsgespräche haben die Sozialberater laut Balz geführt. "Schwerpunkte waren zu hohe Wohnkosten und die Anrechnung von Erwerbsarbeit auf Hartz IV", sagte Steger.

Seit 2007 tourt der Bus einmal jährlich durch Berlin, in diesem Jahr interviewten Studierende der Alice-Salomon-Hochschule 560 Ratsuchende zu ihren Erfahrungen mit den Jobcentern. Laut einem ersten Zwischenbericht der nicht repräsentativen Befragung sind mehr als zwei Drittel der Interviewten mit der Beratung im Jobcenter wenig oder gar nicht zufrieden. Fast 80 Prozent klagen über die schlechte Erreichbarkeit der Mitarbeiter, und gerade mal 18 Prozent aller Befragten fanden ihren Hartz-IV-Bescheid verständlich.

Mehr als eine halbe Million Berliner erhalten Hartz IV. Der Sozialexperte Hans-Joachim Fuchs von der Landesarmutskonferenz beklagte am Freitag die geringe Anzahl unabhängiger Beratungsstellen. Schuld daran seien die Mittelkürzungen des Senats. "Eine qualitative Beratung ist in der Stadt politisch nicht gewollt", kritisierte Fuchs. Diese sei aber notwendig, da das Jobcenter nicht ausreichend berate: Für die Leistungsbezieher gebe es keinen festen Ansprechpartner und die Hotline habe zu lange Wartezeiten. "Der Mensch hinter der Akte wird zu wenig gesehen", sagte Fuchs. Vor diesem Hintergrund warnte Balz-Geschäftsführer Steger vor unseriösen Beratungsangeboten vor den Jobcentern. Derzeit gingen Rechtsanwälte und private Beratungsdienste dort massiv auf Kundenfang. "Wir haben den Verdacht, dass dort mit der Not der Menschen Geld gemacht wird", sagte Steger. KATHLEEN FIETZ

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