Harter Kurs gegen Obdachlose: "Nicht mit dem Hochdruckreiniger"
Die Stadt hat der Bahn die Zuständigkeit für die überdachten Bereiche am Hauptbahnhof übertragen. Nun droht die Verdrängung von Obdachlosen und Trinkern
taz: Herr Grote, die Stadt will sich schon länger aus der Verantwortung für den Bahnhofsvorplatz ziehen. Der schwarz-grüne Senat und der ehemalige Bezirksamtsleiter Markus Schreiber haben es nicht geschafft, und jetzt kommen Sie und setzen den harten Kurs gegen Obdachlose durch?
Andy Grote: Nein, es handelt sich in der Regel bei den exzessiven Trinkern am Hauptbahnhof auch gar nicht um Obdachlose. Die Situation um den Hauptbahnhof wird von der Stadt und der Bahn gemeinsam gestaltet. Die Bahn sieht auch, dass sie für das Erscheinungsbild ihres Bahnhofs selber etwas beitragen und Verantwortung übernehmen muss. Die Stadt zieht sich nicht aus der Verantwortung. Sie hat nur die absurde Situation bereinigt, dass das Gebäude der Bahn, die Dächer aber der Stadt gehören. Hier wird nun die Zuständigkeit der Bahn für zehn Jahre überlassen.
Aber die Bahn wollte diese Zuständigkeit eigentlich nicht.
Ich weiß nicht, was vorher schief gelaufen ist, da war ich ja noch nicht beteiligt. Vielleicht hat der runde Tisch jetzt besser gearbeitet. Es waren nicht nur die Stadt und die Bahn dabei, sondern auch die sozialen Träger.
Und die begrüßen das Ergebnis?
Die sozialen Träger waren jetzt nicht diejenigen, die an vorderster Front wollten, dass die Fläche jetzt dringend an die Bahn gehen soll. Aber das Ergebnis ist mitgetragen worden.
Haben Sie auch mit denjenigen gesprochen, die verdrängt werden sollen?
Die häufig schwerst alkoholkranken Menschen sind in der Regel nicht gut ansprechbar. Den Kontakt können am ehesten noch diejenigen herstellen, die dort in der Straßensozialarbeit unterwegs sind.
Was wird sich konkret unter den Dächern verändern, stehen da künftig Sicherheitskräfte?
Es geht nicht darum, von einem Tag auf den anderen ein ganz neues Regime einzuführen. Aber das ist jetzt Sache der Bahn, die wird das natürlich mit Augenmaß machen. Im Bahnhof hat man ja auch nicht den Eindruck, dass alles klinisch sauber ist. Wenn aber auf den Wegen, die in den Bahnhof führen, exzessiv getrunken und gelagert wird, wird die Bahn schon sagen: „Jungs, geht mal ein Stück weiter“. Es ist aber nicht so, dass sie da jetzt alle zehn Minuten mit dem Hochdruckreiniger durchgeht.
Sie wollen also nicht die soziale Säuberung der Innenstadt vorantreiben?
Um das mal ganz deutlich zu sagen, ich bin überhaupt nicht der Meinung, dass wir Menschen, die kein Geld haben und auch gerne mal einen trinken, aus der Innenstadt verdrängen sollten. Ich bin auch nicht für Alkoholverbote im öffentlichen Raum. Mir geht es schlicht darum, dass wir im Übergang vom öffentlichen Raum in das Bahnhofsgebäude bestimmte Verhaltensregeln einfordern müssen. Das ist keine Verdrängung, wir sprechen hier nur von wenigen Metern.
Gibt es denn ein Konzept, die Plätze so zu gestalten, dass diejenigen, die unter den Dächern weggeschickt werden, sich dort besser aufhalten können?
Ich fände es gut, wenn es einen geschützten Aufenthaltsraum gäbe. Wenn man einen Bereich schafft, den man als Aufenthaltsraum erkennen kann, der Toiletten und soziale Angebote hat.
Einen Trinkerraum?
Ich weiß nicht, ob das die optimale Bezeichnung ist. An bestimmten Stellen, an denen sich ein Konflikt zugespitzt hat, soll die Lage entschärft werden. Im Bahnhofsumfeld wird sich baulich einiges ändern müssen.
Wird es im Gegenzug mehr Hilfsangebote geben?
Ich finde das richtig, mir fehlt nur bei denjenigen, die das fordern, eine konkrete Idee, wie man den Menschen besser helfen kann. Man kann ja nicht einfach mantraartig verbesserte Angebote fordern.
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