: Harter Klassenkampf in der Finanzbranche
EU-Kommission widmet sich den deutschen Sparkassen. Diese wehren sich mit Anzeigenkampagne ■ Von Hermannus Pfeiffer
Hamburg (taz) – „Private Großbanken greifen das öffentlich-rechtlich Kreditwesen an“, warnt die Sparkassenorganisation in ganzseitigen knallroten Zeitungsanzeigen. Sparkassen und Landesbanken sehen ihre Grundlagen bedroht durch eine schwebende Klage in Brüssel. Das Ziel der Großbanken-Angriffe sei klar: „Weniger Wettbewerb, stärkere Marktkonzentration, Steigerung der eigenen Gewinne.“
Der Knatsch in der deutschen Kreditwirtschaft hat Tradition: Zu Beginn der Neunziger bekriegte man sich im Gerangel um die Ostkunden; es folgten Auseinandersetzungen um die neuen Direktbanken, deren Kunden vorrangig Sparkassen nutzen. Stritt sich die Branche jedoch bislang hauptsächlich um Kunden und Marktanteile, wird es jetzt zunehmend grundsätzlich. Die Klage der privaten Banken bei der EU-Kommission zielt auf das Eigenkapital der Sparkassen und damit auf den höchstmöglichen Umfang von Krediten und Finanzanlagen, denn es gilt der Grundsatz: „Je höher das Eigenkapital, desto größer das erlaubte Geschäftsvolumen!“ Der Vorwurf der privaten Institute lautet, Sparkassen würden Vermögen als Eigenkapital bewerten, das keines sei, oder es werde von den staatlichen Eigentümern zu billig bereitgestellt. Damit entstünden irreguläre Wettbewerbsvorteile. Da geht es ans Eingemachte.
Auslöser der Klage ist die Überschreibung der nordrhein-westfälischen Wohnungsbauförderungsanstalt mit ihren Immobilien auf die Westdeutsche Landesbank (WestLB), die jene heute als Eigenkapital nutzt. Das Bundesland habe der WestLB dieses Vermögen zu einem Dumpingzins überlassen – und so faktisch eine Subvention von 1,6 Milliarden Mark gezahlt. Im Juli erklärte die Kommission, dies sei eine unzulässige Beihilfe: Die WestLB soll bis Jahresende die 1,6 Milliarden zurückzahlen.
Hinter dem Konkreten schlummert auch diesmal das Allgemeine: Verstößt das Prinzip der quasistaatlichen Sparkassen gegen gängige Wettbewerbsnormen? Kommunen und Länder stellen ihren Sparkassen Kapital bereit und sichern sie über Gewährträgerhaftung und Anstaltslast ab. Das bedeutet, dass die öffentliche Hand für die Verbindlichkeiten und die Kapitalausstattung der Sparkasse haftet.
Hier liegen tatsächlich Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz. So legen sicherheitsbewusste Anleger ihr Geld zweckmäßigerweise bei einer Sparkasse an. Sparkassen (und Genossenschaftsbanken) sichern aber auch die Finanzversorgung in Stadt und Land, auch außerhalb der gewinnversprechenden Zentren. Damit erfüllen sie einen öffentlichen Auftrag, wie es in den Sparkassengesetzen der einzelnen Bundesländer festgelegt ist. Kleine und mittlere Unternehmen haben Krisen in den Neunzigern lediglich überlebt, weil der Kredithahn von den Sparkassen nicht sofort zugedreht wurde, nachdem erste Schwächesignale ertönt waren. Hier unterscheidet sich ihre lokal-regional orientierte Geschäftslogik von den national-international ausgerichteten privaten Banken.
Die Privaten hingegen wollen eine Privatisierung der öffentlich-rechtlichen Sparkassen und damit Chancen auf Übernahmen.
Die EU-Schlussakte von Amsterdam plädiert für Wettbewerbsgleichheit, aber auch für Bestandsschutz: Danach können Dienstleistungen von „allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ sehr wohl von öffentlich-rechtlichen Instituten verrichtet werden. Genau dies treffe auf die Sparkassen zu, sagen diese, schließlich sichere man die Finanzversorgung auch außerhalb der lukrativen Metropolen. Der Bundesrat hat sich bereits hinter „seine“ Sparkassen gestellt. Für die neue Europäische Kommission wird die Sparkassen-Frage als eine der ersten auf der Tagesordnung stehen. Der designierte Wettbewerbskommissar Monti versprach letzte Woche bereits, sich der Sache alsbald anzunehmen. Das verheißt nichts Gutes für die Sparkassen. Freilich wird letztlich der Kampf der Finanzklasse nicht juristisch entschieden werden. So lässt der Vertrag von Amsterdam genügend Spielraum für die Auffassungen beider Seiten. Der Rest ist Politik.
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