: Harte Hand für Eierdiebe
■ Bundestag beschließt neues Gesetz: Schnelle U-Haft für Kleinkriminelle
Bonn (AP) – Auf frischer Tat ertappte Straftäter können künftig sofort in Untersuchungshaft genommen werden, wenn ihnen höchstens ein Jahr Gefängnis droht und das Gerichtsverfahren innerhalb einer Woche beginnt. Gegen den erbitterten Widerstand der Opposition verabschiedete der Bundestag am Freitag in Bonn ein Gesetz, mit dem die sogenannte Hauptverhandlungshaft in die Strafprozeßordnung aufgenommen wird. Sie soll die bereits vor zwei Jahren eingeführte Möglichkeit der schnelleren Aburteilung von Tätern erleichtern. Das sogenannte beschleunigte Verfahren, das bei sachlich und rechtlich einfachen Sachverhalten angewendet werden kann, werde mit der neuen Regelung abgerundet, sagte Bundesjustizminister Edzard Schmidt- Jortzig. Union und FDP begründeten die Einführung der Hauptverhandlungshaft auch mit der „erzieherischen und abschreckenden Wirkung“, wenn Täter mit der sofortigen Inhaftierung rechnen müßten. Damit gebe es ein Mittel vor allem gegen „reisende Straftäter“, sagte der CDU-Abgeordnete Ronald Pofalla. Wer dagegen, wie zum Beispiel die beim Ladendiebstahl erwischte Hausfrau, auch im beschleunigten Verfahren verurteilt werden könne, müsse nicht zwangsläufig befürchten, bis zur Hauptverhandlung in Haft zu kommen.
Die Oppositionsparteien bezweifelten gerade diese Angabe. Da die Hauptverhandlungshaft und das beschleunigte Verfahren nur für Vergehen gelten sollten, für die höchstens ein Jahr Haft möglich sei, werde gerade die Massen- und Kleinkriminalität erfaßt, kritisierte der SPD-Abgeordnete Jürgen Meyer. Wenn man aber „die Kleinen fängt und die Großen laufen läßt“, habe das „mit Gerechtigkeit nichts zu tun“. Der Rechtspolitiker der Grünen, Volker Beck, sprach von einer „Gesetzgebung auf Verdacht“, die dem „kurzen Prozeß und der harten Hand für Eierdiebe“ diene. Wenn ein Täter in Haft genommen werde, obwohl er nur eine Geld- oder Bewährungsstrafe zu erwarten habe, sei das eine „vorweggenommene Strafe ohne Schuldfeststellung“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen