Harald Schmidt spielt im „Tatort“ mit: Hallo! Hier! Guckt mal!
Der SWR will endlich auch einen Promi im „Tatort“ und engagiert Harald Schmidt. Doch wenn es nur noch um Gesichter geht, leidet der Krimi.
Ein paar Infos vorne weg: Eva Löbau und Hans-Jochen Wagner werden die KommissarInnen im neuen Schwarzwald-„Tatort“ spielen. Die Rollen heißen Franziska Tobler und Friedemann Berg. 2016 wird das Ganze gedreht, Ende des selben Jahres oder Anfang 2017 ausgestrahlt.
Es könnte sein, dass diese Nachrichten nicht zu allen durchgedrungen sind. Denn der für die Region um Freiburg zuständige Südwestrundfunk (SWR) hat neben der Besetzung von Löbau und Wagner einen „Coup“ (vgl. alle möglichen Medien) gelandet: Der SWR hat Harald Schmidt engagiert. Er wird Kriminaloberrat Gernot Schöllhammer spielen, einen „heterosexuellen, katholischen Familienvater“, was Schmidt halt so in seiner Art zwischen Zynismus und Ironie raushaut.
Natürlich spricht überhaupt nichts dagegen, eine Rolle an den Schauspieler Harald Schmidt zu vergeben. Es ist allerdings zu bezweifeln, dass der SWR als Erstes daran dachte, dass sie den Harald Schmidt wollten, der einst am Schauspielhaus Bochum den Lucky in „Warten auf Godot“ mimte. Nein, sie wollten den Harald Schmidt, der jahrelang Harald Schmidt spielte. Der es als Erster in Deutschland schaffte, Hochkultur und Popkultur im Fernsehen zu vereinen. Erst bei Sat.1, dann in der ARD, zuletzt bei Sky (in chronologischer Folge und mit absteigender Güte). Der SWR wollte den Mann, der in den 1990er und Anfang der 2000er Jahre wie kein anderer Rilke, Ringelnatz und Rocchigiani zusammenbrachte. Der Sender wollte und will den Promi. Die Nachricht. Die Aufmerksamkeit.
Der „Tatort“ ist das Fenster der Landesrundfunkanstalten im großen Gemeinschaftsprogramm Das Erste. Quote geht dort über wirklich alles. Also rüsten die Sender auf. Und gute SchauspielerInnen allein reichen da längst nicht mehr. Davon gibt es schon genug im „Tatort“ und im „Polizeiruf 110“: Broich, Möhring, Tukur, Brandt et al. Also müssen Promis her. Am weitesten treibt der Norddeutsche Rundfunk (NDR) diese Entwicklung: Til Schweiger darf in Hamburg machen, was er will, sogar Helene Fischer in einem „Tatort“ den x-ten Fernsehauftritt des Jahres bescheren. Und Bild-Chef Kai Diekmann darf in einem niedersächsischen Lindholm-„Tatort“ eine Leiche mimen. Dazu kommen „Tatort“-Premieren in Kinos in ganz Deutschland. Es gibt halt nicht mehr viele Fernsehevents. Also wird der „Tatort“ ausgepresst. Er muss so viel Aufmerksamkeit wie möglich liefern.
Endlich Glamour!
In dieser Disziplin hat der SWR bisher unterwältigende Leistungen geboten. Nirgendwo sonst sind die Ermittlerduos blasser als im Südwesten: Odenthal und Kopper in Ludwigshafen (schon den Ort kennt ja keiner), Lannert und Bootz in Stuttgart sowie Blum und Perlmann in Konstanz. Das war’s. Quoten mittelmäßig. Nun müssen die Konstanzer gehen – und Schmidt darf mit den anderen beiden (siehe oben) ran. Endlich Glamour im SWR-Gebiet!
Doch das Rattenrennen könnte sich noch rächen: Wenn es nur noch darum geht, mit Gesichtern Quote zu machen, leiden die Plots darunter. Der Markenkern, ein Krimi am Sonntagabend, geht verloren. Deshalb betonen die SWR-Verantwortlichen eifrig, dass der Schwarzwald-„Tatort“ kein zweites Münster würde, wo Boerne (Jan Josef Liefers) und Thiel (Axel Prahl) sonntagsabends das Witzebuch vom Bahnhofskiosk auf die Fernsehbühne bringen. Nein, nein, viel ernster würde der „Tatort“ aus Baden, heißt es. „In die Abgründe dieser Region“ würde er führen, sagt SWR-Fernsehdirektor Christoph Hauser.
Schön wär’s für die Zuschauer. Doch die Skepsis bleibt. Denn es gibt keinen Ort im deutschen Fernsehen, wo Quote und/oder Aufmerksamkeit so wichtig sind wie am Sonntagabend. Und in dieser Disziplin setzen Thiel und Boerne die Maßstäbe. Leider.
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