Harald Keller Der Wochenendkrimi: Ein klassischer Agententhriller oder Wenn drei Mossad-Agenten einen KZ-Arzt entführen müssen
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Wenn über Serienqualität debattiert wird, bringt die Produzentenseite gerne vor, es bedürfe nur der in den USA üblichen Budgets, um auch in Deutschland Premiumserien herzustellen. Werfen wir aber einen Blick nach Israel, ein denkbar kleiner Fernsehmarkt. Dennoch gebiert er originelle Serienkonzepte, die erfolgreich ins Ausland verkauft werden.
Auch das israelische Kino kann sich sehen lassen. Die internationale Koproduktion „Eine offene Rechnung“ basiert auf „Ha-Hov“, einem Politthriller über eine Operation des israelischen Geheimdienstes Mossad, die an die Entführung des Nazi-Verbrechers Adolf Eichmann aus Argentinien erinnert. Das Remake bedient die Erwartungen, die sich mit dem Agentengenre verbinden, lässt aber Raum für dramatischen Gehalt.
1966, der israelische Flughafen Atarot. Rachel Singer, Stephan Gold und David Peretz kehren von einem Auslandseinsatz zurück und werden mit Applaus begrüßt. Beifall erntet im Jahr 1997 auch Sarah Gold (Romi Aboulafia), die über die Heldentaten ihrer Eltern ein Buch geschrieben hat. Ihre Mutter Rachel Singer wird gebeten, ein Kapitel vorzulesen. Regisseur John Madden blendet zurück in das Ostberlin des Jahres 1966. Die drei Israelis haben den früheren KZ-Arzt Dieter Vogel (Jesper Christensen) entführt und halten ihn in einer verkommenen Altbauwohnung versteckt. Der „Chirurg von Birkenau“ soll in Israel vor Gericht gestellt werden. Als er zu fliehen versucht, kann er von der verletzten Singer in letzter Sekunde erschossen werden. So weit die offizielle Version. Als David Peretz Suizid begeht, sehen sich Rachel und Stephan gezwungen, sich der Wahrheit zu stellen.
Die beiden Zeitebenen machten es nötig, die Hauptrollen doppelt zu besetzen. Jessica Chastain und Helen Mirren, Marton Csokas und Tom Wilkinson, Sam Worthington und Ciarán Hinds verkörpern jeweils dieselben Figuren. Der ausgeklügelte Plan, den Nazi-Verbrecher in Berlins Westteil zu schmuggeln, sorgt für banges Mitfiebern. Eine ganz andere Spannung ergibt sich aus den dichten und intimen Passagen, wenn sich Rachel Singer dem inzwischen als Gynäkologe tätigen Vogel aussetzt, wenn Vogel seine Bewacher zu manipulieren versucht, wenn Peretz die Nerven zu verlieren droht. Ungewöhnlich, wie dem Ton erzählende Funktion zugemessen wird: Singer entdeckt Vogels Selbstbefreiung, weil die durch die Decke dringenden und in Auffangbehälter plätschernden Regentropfen den Rhythmus wechseln.
„Eine offene Rechnung“, Sa., 1. 2., 23.30 Uhr, rbb
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