Hans-Jochen Vogels Angebot: Lafontaine soll SPD-Chef werden
■ Der gescheiterte Kanzlerkandidat als Hoffnungsträger der SPD
Oskar Lafontaine wird voraussichtlich neuer SPD- Vorsitzender. Trotz des schlechten Wahlergebnisses boten ihm die Mitglieder des Präsidiums gestern geschlossen dieses Amt an. Lafontaine sagte jedoch nicht gleich zu, sondern bat um etwas Bedenkzeit. In Bonn gehen jedoch die meisten davon aus, daß er das Amt übernimmt. Zunächst will er sich wohl noch Mehrheiten für seine personalpolitischen, organisatorischen und inhaltlichen Ideen sichern.
Er will zum Beispiel auf keinen Fall mit Anke Fuchs als Geschäftsführerin zusammenarbeiten, sondern seine Vertrauten aus Saarbrücken in die SPD-Baracke mitnehmen. Vielleicht nimmt er auch dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Schröder und dessen schleswig-holsteinischen Kollegen Engholm das Versprechen ab, nicht länger die Erhöhung der Mehrwertsteuer zu fordern. Denkbar wäre auch, daß er die Partei darauf einschwören will, auf keinen Fall während der laufenden Legislaturperiode eine große Koalition mit der CDU einzugehen. Seine Vertrauten ließen durchblicken: Lafontaine verzichtet auf das Amt des Vorsitzenden, wenn die Genossen nicht auf seine Vorstellungen eingehen.
Die Bonner Journalisten warteten gestern vergeblich auf Oskar Lafontaine. Parteisprecher Eduard Heußen sagte, der wolle sich eben keinen Fragen stellen, die er nicht beantworten könne. Am Montag morgen hatten die SPD-Präsidiumsmitglieder Lafontaine zunächst den Vorsitz der Bundestagsfraktion angeboten. Der Saarländer lehnte jedoch strikt ab. Daraufhin schlugen sie ihm vor, er solle auf dem Parteitag im März für den SPD-Vorsitz kandidieren. Herta Däubler-Gmelin sagte, Oskar Lafontaine müsse sich spätestens bis Januar entscheiden, da die Landtagswahlen in Hessen sonst nicht gewonnen werden könnten. Sie machte keinen Hehl aus ihrer Enttäuschung darüber, daß er den Fraktionsvorsitz abgelehnt hatte.
Der amtierende Parteivorsitzende Vogel nannte Lafontaines Bitte um Bedenkzeit vor der Presse zwar „ein Zeichen von Lebensklugheit“. Er schien dennoch verärgert. Bereits vor sieben Monaten hatte er Lafontaine den Parteivorsitz angeboten. Nach dem Attentat im Frühsommer dieses Jahres wollte der nicht einmal mehr als Kanzlerkandidat zur Verfügung stehen. Sämtliche SPD-Größen pilgerten damals nach Saarbrücken zur „Villa Hügel“ und beschworen Lafontaine, nicht aufzugeben. Der ließ sich beknien, lehnte es aber ab, erster Parteivorsitzender zu werden.
Diesmal wird er sich wohl anders entscheiden. Die gestrige Pressekonferenz Vogels wirkte bereits wie eine Abschiedsvorstellung. Er dankte dem Kanzlerkandidaten für seinen „Wahlkampf der Wahrhaftigkeit“ und die „große Standfestigkeit“. Vor allem unter den Jüngeren habe er Sympathie und Zustimmung gewonnen. Eines Tages würden die Antworten der SPD auch den Wählern „einleuchten“. Die SPD sei im neuen Bundestag die „einzige Oposition“ — das Bündnis 90 und die PDS will er offenbar als solche nicht anerkennen.
„Die Grünen sind in den alten Bundesländern geradezu dezimiert worden“, sagte Vogel. Dies sei „eine Folge ihrer inneren Gegensätze“. Herta Däubler-Gmelin bemerkte, die Grünen Hubert Kleinert und Joschka Fischer hätten „interessante Analysen“ des Zustandes der Partei geboten. Darüber, ob einzelne Grüne nun in die SPD eintreten, wollte sie nicht spekulieren: „Erstmal die Wahl in Hessen abwarten.“ Tina Stadlmayer, Bonn
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