Hannovers Handballern geht die Luft aus: Top-Team an der Grenze des Wachstums
Die TSV Burgdorf hat in der Handball-Bundesliga lange ganz oben mitgehalten. Doch zum Saisonende könnte der Klub mit leeren Händen dastehen.

Es war überzeugend, wie der 27-Jährige am Freitagabend im Top-Spiel gegen die MT Melsungen auftrat. Stutzke gelangen sechs Tore. Prokop hat ihm das Angriffsspiel beigebracht; früher war Stutzke ein Abwehrspieler mit gelegentlichen Ausflügen nach vorn.
Nun traut er sich viel mehr zu, nimmt sich in der Reihe mit Marian Michalczik und Renars Uščins Würfe, trägt Verantwortung. Prokop vertraut ihm, bringt ihn voran, hat ihn als Profi mittleren Alters entwickelt. Das Problem nur: Für einen linken Rückraumspieler einer echten Spitzenmannschaft fehlt es ihm an Qualität.
Es lag weniger an Stutzke, dass die TSV am Ende deutlich gegen Melsungen unterlag. Uščins überzeugte mal nicht wie gewohnt. Die MT geht nach diesem 29:23 energisch ihren Weg in Richtung erste Meisterschaft weiter. Burgdorf hingegen tut alles, um Schritt zu halten, gewinnt bei den Löwen, schlägt Lemgo, hat sich von der Mittelklasse zu einem Top-Team gemausert – doch wie schon früher reichen Breite und Klasse nicht, um in der zehrenden zweiten Saisonhälfte wirklich dranzubleiben.
So ist es eine bittere Aussicht, trotz einer langen überragenden Serie vielleicht am Ende mit leeren Hände und ohne die erhoffte Europapokalteilnahme dazustehen, was bei den nun noch kommenden Spielen in Magdeburg, Flensburg und Gummersbach und gegen Kiel keine Überraschung wäre. Rang sechs als Erfolg? Irgendwie schon, irgendwie auch nicht.
Auf Sicht möchte das von Prokop trainierte und von Sportchef Sven-Sören Christophersen zusammengestellte Team natürlich mehr sein als ein Lieferdienst der Nationalmannschaft: Torwart Joel Birlehm, Kreisläufer Justus Fischer, die Rückraumspieler Michalczik, Uščins, Stutzke sind allesamt im DHB-Dress unterwegs.
An keiner Stelle versäumt es Bundestrainer Alfred Gislason, seinem Vorgänger Prokop für dessen tägliche Arbeit zu danken. Das ist ehrenwert, aber wie das Geschäft läuft, erkannte Burgdorf im Ringen um den Eisenacher Marko Grgić: Lange Zeit schien die TSV vor allem wegen Prokop gute Karten zu haben. Dann unterschrieb Grgić ab 2026 in Flensburg, und zwar nicht, weil die Luft an der Förde so gut ist.
Magdeburg holte den Melsunger Elvar Jonsson, Kiel schnappt sich Julian Köster, Berlin verlängert wuchtig mit Mathias Gidsel – und Christian Prokop bekommt den Hamburger Spielmacher Leif Tissier, der sich in Hannover vor allem eine Weiterentwicklung verspricht. Jeder in der Szene unterstreicht, wie gut das passen wird – wahrscheinlich ist Tissier der nächste Nationalspieler made in Hannover. Aber zu einem meisterhaften Team wird er die TSV aller Voraussicht nach nicht machen.
Der guten Stimmung in der Arena auf dem alten Expo-Gelände tut das zum Glück keinen Abbruch. Ausverkaufte Ränge, viele Familien. Die Handball-Gemeinschaft in und um Hannover ist äußerst lebendig, liebt den Handball zum Anfassen. Und die TSV tut viel dafür, lädt ganze Nachwuchs-Mannschaften ein, bindet sie durch Aktionen als Ballkinder.
Es wäre einfach schade, wenn die Grenzen des Wachstums nun erreicht wären und sich die TSV dauerhaft mit dem begnügen müsste, was die Top fünf ihr lassen. Denn Prokops Team hat viel dafür getan, dass diese Spielzeit mit dem Sextett gleichauf an der Spitze so faszinierend spannend war.
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