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Handyverbot an der PenneWird in der Schulpolitik resigniert?

Bayern hat es 2006 vorgemacht, nun will Frankreich mit dem Handyverbot an Schulen nachziehen. Ein Modell für ganz Deutschland? Mit der FDP ist das wohl kaum umzusetzen.

"Handys aus, aber..." heißt es derzeit noch an Deutschlands Schulen - verboten ist die Nutzung nur in Bayern. Bild: dpa

Handys in Kinderhänden werden schon seit längerem als ein Grund für viele Übel ausgemacht. Fehlende Konzentration, Müdigkeit und sogar Aggressivität unter Schülern sollen auch durch das SMS-Schreiben unter dem Tisch, häufige Unterbrechungen durch lautes Klingeln oder die vielbeschworenen brutalen Handyvideos ausgelöst werden.

In Deutschland machte sich deswegen besonders die CSU seit einigen Jahren für ein Handyverbot an Schulen stark und so beschloss das bayerische Kultusministerium im Juli 2006, dass Handys in der Pause ausgeschaltet bleiben müssen und nur im Notfall benutzt werden dürfen um den Tausch von Gewalt- und Sexvideos an Schulen zu verhindern.

In Frankreich ist man da nun einen Schritt weiter, denn hier hat der Senat ein landesweites, uneingeschränktes Handyverbot an Schulen beschlossen, das nur noch von der Nationalversammlung abgesegnet werden muss. Allerdings soll die Erweiterung des Umweltschutzgesetzes Grenelle 2 um einen Handy-Passus nur für Kindergärten, Grundschulen und die Mittelstufe gelten. Und auch die Begründung, nämlich die Gesundheitsgefahr durch elektromagnetische Strahlung, wirkt konstruiert, da diese wissenschaftlich immer noch sehr umstritten ist. Belegt sind bisher nur Wärmewirkungen auf den Menschen, weswegen Mediziner lediglich hohen Handygebrauch bei Kindern kritisch sehen.

Doch warum verbietet die französische Regierung dann nur Handys an Schulen, wenn Schüler in der Freizeit weitersimsen können? So wirkt das Strahlungsargument vorgeschoben, um nicht die Sozialisten und Liberalen mit einer ähnlichen Erklärung wie in Bayern zu vergrätzen. Schließlich meldete sich dort auch gleich die FDP zu Wort und bezeichnete das Verbot als "Resignation der Schulpolitik". Am Widerstand der Freidemokraten, die nach der letzten Bundestagswahl wieder in der Regierung sind, dürfte denn auch ein ähnlicher Gesetzentwurf in Deutschland scheitern.

Und auch für den LehrerInnen-Verband war die Untersagung in Bayern "unangemessen, weil damit 100 Prozent der Schüler bestraft werden, weil ein Prozent Gewaltvideos tauscht". Ebenso bekundeten mehrere Kultusminister anderer Bundesländer, wie Brandenburg, Hessen und Saarland umgehend ihre Ablehnung gegenüber einem Nein zur Nutzung von Mobiltelefonen an Schulen. So sieht es derzeit danach aus, dass der ehemalige CSU-Generalsekretär Markus Söder mit seiner Forderung nach einem generellen Handyverbot an Schulen keinen Erfolg haben wird. Deutschland bleiben französische Verhältnisse vorerst erspart.

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12 Kommentare

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  • R
    Robbse

    Stimme Kurt zu. Hier kann doch wirklich keiner so naiv sein und denken, dass den Schülern mit einem Verbot geholfen sein wird. Selbst wenn die Strahlen schädlich sein sollen, was ich nicht abstreite: Ein Verbot macht die Handys noch weitaus interessanter als sie eigentlich sind. Mich würde es nicht wundern, wenn in der Freizeit um so mehr am Handy rumgetippt wird. Der Gesundheitsaspekt kommt mir daher ehrlich gesagt nur wie ein heuchlerischer Vorwand vor. Wenn es um die Gesundheit unserer Kinder geht, kann das Verbot ja zwangsläufig nicht schlecht sein. Quasi nach dem Motto: Statistiken zu Folge erkranken in Bayerischen Schulen weitaus weniger Personen an Hodenkrebs als irgendwo anders. Das ist doch eine Farce.

    Ich habe seit nun über 2 Jahren mein Abitur, und mir sind in meinen gesamten Schuljahren (Ich bin schließlich genau in diesen Handy-Boom hineingewachsen.) keine vom Handy- gestörten Wesen aufgefallen. Des weiteren sollte ein jeder vorzeitig (vorzeitig heißt NICHT so früh wie möglich, auch ich bin dagegen, 12jährige Kinder Sms schreiben zu sehen!) mit solch alltäglichen Geräten wie dem Handy vertraut gemacht werden, auch Jugendliche ab 15 Jahren. Erst dann ist man auch in der Lage, irgendwann selbst herauszufinden, wie man am besten damit umgeht, und wie wichtig es einem selbst ist. Ich persönlich habe mein Prepaid- Handy seit mindestens 1 Jahr nicht mehr aufgeladen und spüre alles andere als den Drang, das zu ändern. Und das, obwohl ich als Schüler an meinem ersten Handy hing wie ein Abhängiger...

     

    @B.S. aus S.:

    "Auf dem Schulhof, wie im Klassenzimmer. Man macht sich kaum eine Vorstellung davon, was für eine Generation von"Sozialkrüppeln" hier heranwächst."

     

    Was denken Sie eigentlich wer sie sind? Können Sie sich denn eine Vorstellung davon machen? Wenn ja, würde es mich brennend interessieren woher. Vom Hörensagen?

  • AN
    Arno Nym

    Ich kann mich an meine Meldung aus dem heise- oder Telepolis Newsletter entsinnen, der eine wissenschaftliche Untersuchung zitierte, wonach das Tragen von Mobiltelefonen am Gürtel (bei männlichen Personen) zu einer Reduzierung der Spermienproduktion geführt hat. So ganz konstruiert ist Frankreichs Begründung wohl nicht.

  • H
    Holger

    Um kurz nach 8 Uhr sind über die Hälfte der tazler „absolut“ fürs Verbieten, „denn Handys stören Unterricht und Entwicklung der Kinder.“ Liebe, liebe tazler, man möchte sich angesichts eurer peinlichen Weltfremdheit und des dreisten Erziehungsdünkels beschämt an den Kopf greifen. Es ist nicht so lange her, da erging sich mein bayrisches Lehrerkollegium in noch vorauseilender Erziehungspflicht und tat, was es gerne tat, nämlich verbieten. Das Benutzen von Handy auf dem Schulgelände in dem Fall. Verbote freilich sind nur solche, wenn ihre Nichtbeachtung mit Repression geahndet wird. Was wiederum die Konsequenz nach sich zog, dass die Lehrer strafend durch die Pausenhöfe zogen und nebst den Rauchern diejenigen, die zusammen Musik hörten, sich Fotos zeigten, Videos drehten, Notizen machten, im Internet surften, SMS schrieben, Telefonnummern austauschten usw. mittels Strafe umerzogen. An Lächerlichkeit war das nicht zu überbieten, denn kaum ein über 12-Jähriger benutzt sein Handy nicht mit vollendeter Selbstverständlichkeit in allen denkbaren Lebenssituationen - und für einen Schüler ist die Schule vor allem das: Lebenssituation. Natürlich scheiterte das Verbot auf ganzer Linie. Ich habe noch von Niemanden gehört, der sein Handy aus Angst vor Strafe oder gar Einsicht zu Hause lies, nicht in meinem Bekanntenkreis, wohl auch nicht in dem meiner jüngeren Geschwister. Das einzige, was das Verbot zur Folge hatte, war das Vor-Augen-Führen der dummdreisten Lächerlichkeit mancher Regel und Maßregelung und die dementsprechend trotzige Nichtbeachtung selbiger. Eine respektvolle Schüler-Lehrer Beziehung wird so nicht hergestellt, vielmehr wird das Brechen von Regeln zur Selbstverständlichkeit, gerade auch dort, wo Regeln wirklich Sinn machen.

  • V
    vic

    So lange Frau Kanzlerin im Bundestag am Handy rumfummelt, darf man das anderen Kindern nicht verbieten.

  • R
    Ranjit

    Ist das nicht irgendwie ein Schritt in die falsche Richtung? Der neue Analphabetismus heißt zu geringe Medienkompetenz. Schüler dürfen in der Schule natürlich Handys benutzen. Und natürlich auch Laptops, Tablets, Desktop-PCs, Smartphones etc.

    Menschen müssen sich heutzutage einfach früh einen eigenen Arbeitsrhytmus und ein Set an Werkzeugen aneignen. Das können die meisten Lehrer oftmals nicht leisten, da sie ja selbst nie in einem flexiblen, hochqualifizierten Umfeld tätig waren und der Zeit häufig hoffnungslos hinterher hinken.

     

    Was Handys direkt im Unterricht angeht:

    Es muss natürlich Sanktioniert werden, wenn Handys für Andere störend klingeln oder summen.

    Und der Lehrer sollte bei jüngeren Schülern auch die Möglichkeit haben, die Nutzung im Unterricht zu unterbinden.

    Bei älteren Schülern sollte jedoch ohnehin gelten: Verhaltet euch wie ihr wollt, solange ihr andere nicht stört. Sanktion oder Belohnung erfolgt dann einfach über die Noten. Und wer mit dem Handy unterrichtsfremd spielt und dann die Frage des Lehrers nicht beantworten kann, bekommt dann eben seine mündliche 6. Wer aber via Handy kruz googelt und wertvolles in eine laufende Diskussion einbringen kann, sollte eher bestärkt werden. Doch den direkten Zugriff auf externe Quellen möchten natürlich nur Lehrer zulassen, die sich ihrer fachlichen Kompetenz sicher sein können. Also wird fürs erste wohl nichts draus.

  • BA
    B.S. aus S.

    Keine Resignation, ein Fortschritt!

     

    Die Gesundheitsgefahr ist längst bewiesen und hinreichend wissenschaftlich belegt. Es ist schön, dass in Bayern und Frankreich Gesetze gegen die Wünsche der Mobilfunklobby beschlossen werden können.

     

    An Schulen geht es aber nicht nur um Gesundheitsschutz, es geht auch um das Sozialverhalten der Schüler, welches sich durch Handynutzung tatsächlich dramatisch verändert. Auf dem Schulhof, wie im Klassenzimmer. Man macht sich kaum eine Vorstellung davon, was für eine Generation von"Sozialkrüppeln" hier heranwächst. Zudem wirkt sich der Handygebrauch wirklich störend auf den Unterricht aus, weshalb es längst Handyverbote an vielen Schulen gibt.

     

    Wenn endlich eine gesetzliche Grundlage für notwendige Praxis geschaffen wird, so ist dies keine Resignation, sondern ein Erfolg für Lehrer, Schüler und die Schulpolitik!

     

    Die Argumentation des "LehrerInnenverbandes" sowie der angesprochenen Kultusminister zeugt von krasser Unkenntnis der Verhältnisse und fehlender Aufklärung über die Gefahren der Handynutzung.

  • N
    Name

    Tja, wenn einem die Argumente ausgehen, dann kommt eben das Verbot...

     

    In Frankreich soll das Verbot also für Kindergärten, Grundschulen und die Mittelstufe gelten. Warum müssen Kinder, die den Kindergarten oder die Grundschule besuchen überhaupt ein Handy haben? (Selbst Mittelstufe tut nicht Not. Gut, Handys werden eh überschätzt, teils negative Folgen werden gar ganz vernachlässigt. So sinkt die Zuverlässigkeit bei Verabredungen, da man ja nochmal schnell anrufen oder schreiben kann; Das Schulen des Gedächtnis' beim Lernen von Telefonnummern entfällt durch das Telefonbuch usw.). Da liegt die Regulierung aber bei den Eltern und nicht beim Staat.

  • DS
    Daniel S.

    Ich bitte die Redaktion der taz, den Redakteur dieses Artikels, sich einmal genauer mit der Problematik von hochfrequenter Strahlung zu beschäftigen. Die Behauptung, dass eine gesundheitliche Beeinträchtigung nicht wissenschaftlich bewiesen ist, ist fatal und spielt der Mobilfunklobby natürlich massiv zu. Fragen sie mal einen mobilfunkgeschädigten Menschen. Erkundigen sie sich bei Ärzten, die sich eingehend mit der Problematik beschäftigen. Hochfrequente Strahlung, wie die von Handys, DECT-Telefonen und W-LAN sind eine Gefahr für die Gesundheit vieler Menschen und beeinflussen langfristig die DNA-Struckturen von Pflanzen, Tieren und Menschen. Diese Gefahr, die hinreichend wissenschaftlich belegt ist, sollte von einer Zeitung wie der taz nicht geleugnet werden. Bitte informieren sie sich, ich kann ihnen sämtliche Links zu den Studien, Berichten, Appellen, Bürgerinitiativen, usw. geben, und fangen sie an ihre Leser wahrheitsgetreu aufzuklären, anstatt sie mit den blinden Parolen der Mobilfunkindustrie zu füttern. Wenn die Menschen in diesem Punkt eine anständige Aufklärung erfahren, erübrigt sich die Diskussion über ein Handyverbot an Schulen ohnehin. MfG

  • KF
    Komitee für internationale kleinschreibung

    In England wird zur zeit über ein verbot von photohandys in kindergärten diskutiert, weil expertinnen und experten davon ausgehen, dass jährlich tausende von britischen kleinkindern von ihren erzieherinnen und erziehern sexuell missbraucht werden, d. h. zum beispiel pädophile erzieherinnen und erzieher nacktphotos von ihren schützlingen anfertigen, um diese sodann in pädophilienetzwerken auszutauschen oder an sie zu verkaufen.

     

    Bedauerlich, dass hierzulande nur die bayerische CSU erkannt zu haben scheint, dass Deutsche nicht per se die besseren menschen oder mit einem heiligenschein ausgestattet sind, und deshalb über klare regeln bezüglich des umgangs mit neuen technologien, hier des multifunktionalen mobiltelephons, nachdenken. Gleiches gilt übrigens auch für den umgang mit diesen dingern in öffentlichen verkehrsmitteln sowie am arbeitsplatz.

     

    Ein jüngerer kollege lauerte mir mal mit seinem photohandy vor der WC-tür auf und drückte auf den auslöser, als ich die kabine verließ, woraufhin ich ihm das ding aus der hand riss und in die WC-schüssel schmiss. Da hört für mich einfach das "Verstehen-sie-spaß-spiel" auf.

     

    SPD, FDP, Grünen und Linkspartei scheint das wohlergehen und die geistige entwicklung der nachwachsenden generationen mittlerweile offenbar schnurzpiepegal zu sein, so nach dem motto: "Lass sie doch..." - Ist das falsch verstandene liberalität oder ignoranz und indifferenz bzw. gleichgültigkeit gegenüber den vielfältigen problemen in schulen, kindergärten und in der öffentlichkeit???

  • JT
    Jannes T.

    Handyverbot an Schulen? In meiner Schule im Norden NRWs längst Gang und Gebe. Ist das bloß eine Ausnahme?

  • K
    Kurt

    Effektiver wäre es vermutlich, wenn man verbieten würde die Handys zuhause zu lassen.

  • NP
    Nicole P.

    Hoffentlich kommt das Handy-Verbot nicht. Glauben die zuständigen Politiker ernsthaft, man könne damit etwas bewegen? Ich kenne das aus meiner eigenen Schulzeit. Man sucht sich Mittel und Wege, um trotzdem die Videos etc. herumzuschieben. Außerdem ist die gesundheitsschädigende Wirkung meiner Meinung nach nicht ausreichend bewiesen.