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Handys aus, aber dalli

Ab Montag gilt an Bremer Schulen ein Handyverbot, das hatte die Bildungssenatorin vor zwei Wochen überraschend angeordnet. Aus wissenschaftlicher Sicht ist so ein Verbot sinnvoll

Ab Montag heißt es an Bremer Schulen: Keine Handys weg Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

Von Lotta Drügemöller

Bremen führt ein allgemeines Handyverbot an Schulen ein. Schon ab Montag soll an allen Schulen bis zur zehnten Klasse die Regel gelten: Mitgeführte Handys müssen „während des gesamten Schultags auf dem Schulgelände ausgeschaltet und nicht sichtbar aufbewahrt werden“. Bei „unzulässiger Nutzung“ können schulische Ordnungsmaßnahmen greifen, einschließlich des „vorübergehenden Einbehaltens des Geräts“ – gemeint ist: bis zum Ende des Schultags.

Bremen ist damit das erste Bundesland, das eine entsprechende Regelung einführt – wenn auch nur für die Stadt Bremen, Bremerhaven darf selbst entscheiden und hat sich unter FDP-Schuldezernent Hauke Hilz erst einmal gegen den Vorstoß gestellt.

Eine Handybegrenzung leuchtet intuitiv ein: Wer auf eine eingehende Nachricht aufmerksam wird, will wissen, was los ist. Selbst, wer nicht direkt auf das Gerät schaut, sondern bis zur Pause wartet, dürfte abgelenkt sein. Auch wissenschaftlich ist der Effekt vielfach bewiesen. Die Uni Paderborn etwa hat im Sommer 2023 in einer Studie aufgezeigt, dass selbst ein ausgeschaltetes Handy auf dem Tisch der Aufmerksamkeit schadet. Stu­di­en­teil­neh­me­r*in­nen arbeiteten langsamer und unkonzentrierter, wenn ein Handy auch nur in Sichtweite war.

Wer sich die Nutzung des Smartphones selbst verbietet, so eine Erklärung, muss für diese Impulskontrolle die „exekutive Funktion“ seines Gehirns belasten – den Arbeitsspeicher sozusagen, der dann für andere Aufgaben fehlt. Ein Verbot von oben könnte also das Gehirn entlasten, wenn man der Paderborner Studie folgt.

Dass Bremen Vorreiter werden würde, war kaum abzusehen: Eigentlich hatte Hessen die Nase vorn, im März hatte dort die schwarz-rote Koalition ein Handyverbot zum neuen Schuljahr angekündigt. Bremens rot-grün-rote Koalition dagegen hatte im Februar noch klargestellt: Handyverbot, das braucht es nicht. Schließlich würde die Handynutzung schon in den Schulordnungen geregelt. Anlass war damals ein Antrag der CDU.

Drei Monate später sieht Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) das offenbar anders: Ohne den Umweg über die Bürgerschaft als gesetzgebendes Organ, hat sie das schnelle pauschale Handyverbot mit Zwei-Wochen-Frist per Erlass verfügt.

Koalitionspartner und Schulleitungen wurden von dem Sinneswandel Mitte Mai überrascht. Vor allem die Bremer Schülerschaft zeigt wenig Verständnis für den Vorstoß. Die Bremer Gesamtschülervertretung (GSV) hat aus dem Anlass heraus eine Pressemitteilung heraus gegeben – die erste seit zwei Jahren. „Politischer Aktionismus, der auf mediale Wirkung zielt“ sei die Entscheidung der Senatorin, „ein rein politisches Ding“, welches die „tatsächlichen Bedürfnisse und Lebensrealitäten von Schü­le­r*in­nen nicht ausreichend berücksichtige“.

Noch Anfang des Jahres hatte es ein Gespräch mit der Bildungssenatorin gegeben, schreibt die GSV. „Man hat uns damals ziemlich klar gesagt, dass die Senatorin sich gegen dieses Verbot positioniert. Genau deshalb finden wir es falsch, dass ohne uns nun eine solche Entscheidung getroffen wird und das auch noch ohne uns in Kenntnis zu setzen.“

Das kritisieren auch die Koalitionspartner. „Ich bin nicht für eine uneingeschränkte Handynutzung“, sagt Miriam Strunge, die bildungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, „aber warum führt man ein Verbot von oben ein, während man sonst Demokratiebildung an Schulen fordert?“ Ihres Erachtens hätten viele Schü­le­r*in­nen ein Problembewusstsein für das Thema Handynutzung. „Sie könnten selbst Regeln erarbeiten“, so Strunge. „Das wäre demokratischer – und die Regeln würden dann vielleicht auch besser akzeptiert.“

„Aktionistisch“ findet auch Achim Kaschub als Vorsitzender der Bremer Schulleitervereinigung den Erlass. Viel zu wenig Zeit bekämen die Schulen für die Umsetzung: Ordnungsmaßnahmen für Verstöße müssen die Schulen selbst erarbeiten – eigentlich bis Montag, allerdings soll der Erlass im Wortlaut erst an diesem Mittwoch an die Schulleitungen verschickt werden. „Ich finde auch ein Tempolimit super, aber es ist schon sinnvoll, so etwas dann einzuführen, wenn man weiß, welche Konsequenzen ein Verstoß haben soll“, so Kaschub. „So richtig nervös“ sei er trotzdem nicht. Denn es ist ja nicht so, als hätten die Schulen bisher stillschweigend akzeptiert, dass da unterm oder überm Tisch Nachrichten verschickt oder Fotos geliket werden. Auch für die Pausen haben fast alle Schulen bereits Regelungen zur Handynutzung.

Kaschubs eigene Schule, die Oberschule an der Hermannsburg zum Beispiel: Da gibt es eine Handyzone in einem Flur, während einer Pause dürfen Acht- bis Zehntklässler dort unter Aufsicht ihr Handy nutzen. „Das haben sich die Schüler in der Schulkonferenz erstritten“, erzählt Kaschub. „Eigentlich funktioniert das mit der Handyzone auch ganz gut.“

Senatorin Aulepp hat sich intensiv mit dem Thema befasst und vorab mit vielen Experten gesprochen. Die schnelle Umsetzung innerhalb von zwei Wochen sei sinnvoll: „Die Entscheidung, das Handyverbot bereits zum 1. Juni einzuführen, ermöglicht es (…), die Maßnahme noch vor dem Schuljahreswechsel umzusetzen, ohne den ohnehin vollen Schuljahresanfang zusätzlich zu belasten“, begründet die Behörde den schnellen Start. „So erhält die gesamte Schulgemeinschaft ausreichend Zeit, sich auf das Verbot einzustellen und es in den Schulalltag zu integrieren. Eine Umsetzung kann dann im nächsten anstehenden Gremienlauf der Schulen vorgenommen werden, sodass pünktlich zu Beginn des kommenden Schuljahres Klarheit herrscht.“

„Wir finden es falsch, dass ohne uns nun eine solche Entscheidung getroffen wird“

Aus einer Stellungnahme der Bremer Gesamtschülervertretung

Vielleicht wollte man auch einfach das erste Bundesland sein. Denn landauf, landab, in Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein wird dieses Jahr über das Thema diskutiert. Mecklenburg-Vorpommern etwa hat sich entschieden, dass die Politik gemeinsam mit Schüler*innen, Eltern und Schulleitungen eine Regelung zur Smartphone-Nutzung finden soll. Die neue Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) hat es auf die bundespolitische Agenda gebracht. Und: Hessen führt ab nächstem Schuljahr ein Verbot ein. Wer noch Vorreiter sein will, muss schnell handeln.

Das politische Geplänkel rund um die Einführung lenkt davon ab, was das Handyverbot am Ende bringen soll. Manche Kri­ti­ke­r*in­nen – im Bremer Fall die FDP – beschweren sich, dass die Medienbildung so aus der Schule verdrängt werde. Allerdings gibt es weiterhin digitale Endgeräte gibt im Unterricht. Alle Schü­le­r*in­nen in Bremen haben während der Pandemie ein kostenloses IPad bekommen, das für die Schule genutzt wird. Und zur Medienbildung kann letztlich auch gehören, dass ein Handy zwischendurch mal weg ist.

„Im Februar hieß es noch, unser Antrag sei ‚überflüssig‘ und das Problem gebe es nicht. Heute übernimmt Bildungssenatorin Aulepp unsere Forderung fast wortgleich“, schreibt für die CDU deren bildungspolitische Sprecherin Yvonne Averwerser. „Der Sinneswandel der Senatorin ist nicht durch neue Erkenntnisse motiviert, die Studienlage war auch im Februar schon eindeutig. Was sich geändert hat, ist wohl die politische Wetterlage.“

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