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Handy-LokalisationGoogle weiß, wo Du warst

Mit "Google Latitude" kann man seinen Freunden hinterher spionieren. Der Internet-Konzern erweitert den unheimlichen Dienst nun noch - und speichert alle besuchten Orte.

Latitude ist mit zahlreichen Mobiltelefonen nutzbar und erfasst die aktuelle Position des Nutzers und stellt sie auf einer Karte dar. Bild: screenshot

Google weiß bekanntlich viel von uns - unsere Vorlieben durch unsere Eingaben in die Suchmaschine des Internet-Konzerns, beispielsweise. Seit Frühjahr kennt der Netzriese nun auch die aktuelle Örtlichkeit einiger seiner Nutzer: Damals wurde mit "Google Latitude" ein Dienst eingeführt, der sich der in immer mehr Handys verfügbaren Navigationstechnologien bedient. Latitude ist mit zahlreichen Mobiltelefonen nutzbar und erfasst die aktuelle Position des Nutzers und stellt sie auf einer Karte dar. Sinn des Dienstes ist laut Google vor allem, die Position von Freunden zu erfahren: Haben die die Überwachung durch Latitude freigeschaltet, könne man sich ja beispielsweise auf einen Kaffee treffen.

Schon in der Standardvariante wirkt Latitude auf Menschen, die etwas auf ihre Privatsphäre geben, leidlich unheimlich. Zwei neue Funktionen, die seit dieser Woche verfügbar sind, machen den Dienst nun noch problematischer: Künftig speichert das Angebot auf Wunsch die zurückgelegte Route mit, damit man am Abend sehen kann, wo man war. Das Selbststalking wird wie bisher allein durch Google-Account und Passwort geschützt.

Diese "Location History" ist eine Abkehr von Googles bislang eher vorsichtigem Umgang mit dem Datenschutz bei Latitude. Während der Konzern bei der Einführung des Angebots im Februar noch betonte, Ortsdaten würden oft bereits nach wenigen Minuten wieder von seinen Servern gelöscht, muss sich nun der Nutzer selbst bei aktivierter Ortserfassung darum kümmern. Um solche Bedenken auszuräumen, betont man bei Google, dass die Ortserfassung ja niemals "öffentlich" verfügbar sei und auch Latitude-"Freunden" nicht zur Verfügung stehe. Zudem könne der Nutzer jederzeit die gesamte "Location History" oder Teile davon löschen. Allerdings muss man auch hier aufpassen: Dreht man die Funktion bei Latitude ab, sind die bisherigen Spuren erst einmal nicht gelöscht - das muss der Nutzer von Hand über die Funktion "History Management" erledigen.

Noch ein wenig unheimlicher ist die zweite neue Latitude-Funktion, die in dieser Woche eingeführt wurde. Sie nennt sich "Location Alerts" (Ortshinweise) und dient dazu, automatisch darauf hingewiesen zu werden, wenn sich ein Latitude-"Freund" in der Nähe befindet. Dazu arbeitet das System mit einem ausgefeilten Überwachungsalgorithmus: Es lernt zunächst rund eine Woche lang die tägliche Routine des Nutzers und merkt sich "Standardorte". So wird man beispielsweise nicht informiert, dass ein Latitude-"Freund" in der Nähe ist, wenn man sich auf der täglich angesteuerten Arbeitsstätte befindet, sondern nur an "ungewöhnlichen Orten". Ebenso kann "Location Alerts" die Zeit mit einkalkulieren: Befindet man sich zu einer ungewöhnlichen Uhrzeit an einem Standardort, wird auch das für eine Freundeszusammenführung genutzt.

Datenschützer hatten bereits in der ersten, milderen Variante Bauchschmerzen bei Latitude. Das dürfte sich jetzt noch verstärken. Latitude sei "eine Gefahr", hieß es etwa von der Netzbürgerrechtsorganisation "Privacy International". Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter des Landes Schleswig-Holstein, meinte gegenüber taz.de, Google profiliere sich immer mehr mit Anwendungen, die eigentlich niemand brauche, aber zugleich als riesige Datenfundgruben dienen könnten. "Selbst wenn Google bereit wäre, die Daten personenbezogen nicht zu verwenden, so stünden diese Daten US-Sicherheitsdiensten zur freien Verfügung. Gerade kämpfen wir gegen den US-Zugriff auf Bankdaten." Niemand solle "so dumm sein, jetzt seine Bewegungsprofile an die USA" auszuliefern, so Weichert weiter. Sämtliche Transparenzzusagen von Google seien "reine Vertrauenssache" gegenüber dem Unternehmen.

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9 Kommentare

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  • R
    Robert

    Einige hier scheinen auch gerne mal von Felsen zu springen, wenn ihre Clique das tut.

    Ihr werdet wegen einem Programm, dass ihr nicht habt ausgegrenzt? Dann habt ihr einen tollen Freundesrkeis ... *hust*.

    Solange euch Google nicht zwingt Latitude zu benutzen, gibt es nix zu meckern. Wenn euch euer Freundeskreis dazu "zwingt", dann ist euer Freundeskreis (und nicht Google) daran schuld.

  • B
    breagle

    @bagel

    bravo bagel! man brauch nicht jeden scheiß mitzumachen, dann hat man auch nicht diese dämlichen sorgen. viele lassen sich auf was ein wie blöde und meckern dann hinterher von fehlendem datenschutz etc.

  • K
    kptn

    TAZ goes Boulevard?! Ihr sagt es doch selbst: "Haben die (Freunde) die Überwachung durch Latitude freigeschaltet, ... " Also bisher alles freiwillig. Wenn wir uns auf diesem Niveau bewegen dann bitte auch gleich noch auf die Social-Network-Überwachung hinweisen. Ich bitte Euch. Eure Leser verdienen mehr. Wäre es nicht sinnvoller statt den unzähligen Formen des Web2.0, dessen allgemeine Tendenz der gegenseitigen privaten Überwachung zu betrachten? Warum nutzen viele User diese Dienste der Präsentation, Konversation, Observation? Ich denke nicht der Gegenstand birgt hier die Gefahr sondern der "Geist" der ihn nutzt.

  • 3G
    372 (Profil gelöscht)

    Dieses blöde Gerede von "Google ist eine Datenkrake" kann ich echt nicht mehr hören.

     

    Siehe Köhntopp-Kommentar, der hier schon vorher verlinkt wurde. http://blog.koehntopp.de/archives/2665-Das-Google-Missverstaendnis.html

  • P
    Pyro

    @Tron

     

    Ich glaube, du hast Maxwell nicht richtig verstanden:

    Wird in deiner Clique auch stark Latitude genutzt, du aber weigerst dich, dann wirst du de facto ausgegrenzt - oder fürchtest dich mindestens davor und gehst dann doch zu Latitude.

     

    Natürlich passiert das nicht bei jeder Clique auf der Welt, aber dieser soziale Druck allein muss doch nicht sein, wenn er schon in der rechtlichen Grauzone des Datenschutzes liegt...

     

    @Artikel & Kommentatoren

    Ok, Google ist eine Datenkrake und in Sachen Datenschutz wohl sicherlich noch stark nachholbedürftig. Dass sich aus solchen Daten interessante Statistiken ableiten lassen, mag für das Bus-Unternehmen gut sein - aber was bitte geht es das Bus-Unternehmen an, wann ich mit welchem Bus wohin genau fahre?

    Wie sicher kann man sich sein, dass die eigenen Daten anonymisiert werden? Ich denke, das ist die zentrale Frage und Kritik, die Google eben nicht beantworten kann oder will.

  • A
    agtrier

    Vielleicht sollten die RedakteurInnen der TAZ mal dazu durchringen, in Zukunft jemanden zu fragen, der von der Sache auch eine Ahnung hat, bevor sie solchen Blödsinn zusammenfabulieren. Dieser Artikel ist nämlich wieder mal unterirdisch schlecht, und völlig bar jeder Sachkenntnis. Hauptsache eine schöne Sensationsstory und alle können den Kopf darüber schütteln, wie schlecht die heutige Zeit doch ist, und wie dumm die "Jugend von heute" doch geworden sei.

  • T
    Tron

    @Maxwell:

    Dass jede noch so überflüssige kleine App das Potential hat, 'sozialen Druck' aufzubauen, glaubst Du ja wohl selbst nicht. "Ey, der hat kein Latitude, lass ma dem die Fresse polieren."

    LOL!

    Die Auseinandersetzung mit Datenschutz ist immens wichtig, aber Paranoiker kann echt keiner gebrauchen.

  • MD
    Maxwellscher Dämon

    Viele der Kommentatoren behaupten, man müsse den Google-Lokalisierungsdienst ja nicht nutzen. Dabei wird übersehen, dass allein dessen Existenz einen sozialen Druck aufbaut. Jemand, der diesen Dienst nicht nutzt, wird früher oder später im Freundeskreis schief angekuckt, gilt als Außenseiter, wird vielleicht sogar ausgegrenzt und mit dem Vorwurf konfrontiert, er habe etwas zu verbergen. So wird Misstrauen gesät und der Zusammenhalt der Gesellschaft untergraben.

  • T
    Tobi

    Zitat von avelon, 12.11.2009 13:48 Uhr:

    "Nur gut, daß ich Google nicht benutze und mein Handy bleibt seit Jahren zuhause, wenn ich raus gehe."

     

     

    LOL. Nur gut, dass ich keine Briefe schreibe und mein Haus nur nachts verlasse! Wofür hat man denn ein Handy? Ich habe wenig Probleme mit Google, denn sie SAGEN was sie speichern. Dieses ganze Rumgeweine von wegen Datenkrake, dabei sind Schätzungweise 80 bis 90 Prozent der Bankverbindungen aller Deutschen im Umlauf. OHNE, dass da ein Konzern sagte: "Hab deine Daten, - verkauft."

    Das Problem ist nicht Google, das Problem ist die Kontrolle und Aufsicht sowie Aufweichung des Datenschutzes.