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Handlager der Drogenmafia

Justizbeamter steht wegen Drogenschmuggel vor Gericht. Schließer belieferte die Gefangenen mit Heroin. Deals durch Gefangenen aufgeflogen  ■ Von Plutonia Plarre

Es ist noch gar nicht lange her, da wurden ausschließlich die Insassen und deren Besucher für den florierenden Drogenhandel in der Haftanstalt Tegel verantwortlich gemacht. „Diese Verlogenheit der Justizverwaltung hat endlich ein Ende, seit einige Beamte erwischt wurden“, freut sich der rechtspolitische Sprecher von Bündnis 90/ Die Grünen, Albert Eckert. Eines dieser schwarzen Schafe steht seit gestern vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 38jährigen Justizvollzugshauptsekretär Michael K. vor, für die Gefangenen insgesamt 200 Gramm Heroin, Zigaretten, Schnaps, Lebensmittel und anderes nach Tegel geschmuggelt zu haben. Als Gegenleistung für das Heroin, das von den Gefangenen mit Milchzucker gestreckt und gewinnbringend im Knast weiterverkauft wurde, soll Michael K. kleinere Bargeldbeträge erhalten haben. Das Delikate an dem Fall: Der Beamte lieferte den Stoff auf der Drogenvorschaltstation ab, auf der rauschgiftsüchtige Häftlinge auf eine Therapie vorbereitet werden.

Wer im Knast beim Drogenhandel erwischt wird und danach auspackt, lebt gefährlich. So ergeht es auch Michael K., der im März 1995 festgenommen wurde. Um ihn vor Racheaktionen zu schützen, sitzt er in Potsdam ein. Vor Gericht zeigte sich gestern, daß das Geld keineswegs der einzige Grund war, warum er sich zum Handlanger der Drogenmafia im Knast machte. Denn dafür war seine Entlohnung von einigen hundert Mark viel zu unbedeutend.

Michael K. ist bisexuell und schon seit längerem HIV-positiv. Seine sexuelle Neigung hatte er geheimgehalten, als er Anfang der neunziger Jahre vom Verkäufer zum Justizvollzugsbeamten umsattelte und schließlich auf der Drogenvorschaltstation in Tegel landete. Dort freundete er sich bald mit dem Insassen B. an. Den Mithäftlingen wurde schnell klar, daß es sich dabei um mehr als eine den Dienstanforderungen entsprechende Beziehung handelte. Das Wissen um diese besondere Freundschaft, so der Angeklagte gestern, habe ein Gefangener ausgenutzt, um ihn zu der ersten Tat zu überreden. Einmal damit angefangen, habe es für ihn kein Zurück mehr gegeben. Das erste Mal lieferte Michael K. zehn Stangen Zigaretten im Knast ab. Eine der Schachteln war offen. „Es wurde mir nicht konkret gesagt, daß da Drogen drin waren, aber das war mir klar.“ Ein anderes Mal brachte er eigenen Angaben zufolge 30 Gramm Heroin und eine Flasche Whiskey mit. Wieder ein anderes Mal einen Beutel „von der Größe einer Kirsche“, gefüllt mit Heroin.

Zu dieser Tat habe er sich entschlossen, um seinem Freund B. zu helfen, der von den anderen Häftlingen unter Druck gesetzt worden sei. Ob er keine Gewissensbisse gehabt habe, die therapiewilligen Gefangenen der Station mit dem Stoff in Versuchung zu bringen, wollte die Staatsanwältin wissen. Michael K. erwiderte: Gemessen an der Größe des Drogenhandels in Tegel sei sein Beitrag dazu zu vernachlässigen gewesen. Und was die Therapiewilligkeit angehe, sei in der Regel nur einer von insgesamt 21 Gefangenen ausreichend für den Ausstieg motiviert.

Michael K. wurde erwischt, nachdem er von einem Gefangenen angeschwärzt worden war. „Für mich war er ein ganz schöner Dummkopf“, erklärte gestern ein Tegeler Gefangener als Zeuge. Ob er ein „Judas“ war, blieb unklar. Allerdings beschwor der Zeuge das Gericht „dringlich, für meine Sicherheit zu sorgen“. Er werde in Tegel massiv bedroht und traue sich kaum noch aus seiner Zelle. Sämtliche seiner als Zeugen geladenden Mitgefangenen machten dagegen von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Der Prozeß wird Donnerstag fortgesetzt.

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