Handelsstreit mit den USA: EU setzt auf die sanfte Tour
Bis zur letzten Minute wollen die Europäer mit den USA verhandeln, um drohende Strafzölle abzuwenden. Das Problem ist die eigene Uneinigkeit.
Im Handelsstreit mit den USA rückt die EU von ihrer harten Haltung ab. Die bisher gemachten Zugeständnisse reichten wohl nicht aus, um US-Präsident Donald Trump umzustimmen und die angedrohten Strafzölle abzuwenden, sagte Handelskommissarin Cecilia Malmström in Brüssel. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will den Amerikanern daher weitere Zugeständnisse machen.
Bereits beim EU-Sondergipfel in Sofia in der vergangenen Woche hatten die Europäer Kompromissbereitschaft signalisiert. Sie erklärten sich überraschend bereit, die umstrittenen Importe von Flüssiggas aus den USA zu erleichtern und über Reformen bei der Welthandelsorganisation WTO nachzudenken. Beides hatte Trump gefordert – zusätzlich zu nationalen Quoten bei Stahl und Aluminium.
Bisher war allerdings nicht von Verhandlungen die Rede. „Wir verhandeln erst, wenn Trump die Pistole von unserer Brust nimmt“, betonte Malmström. Offizielle Gespräche könne es nur geben, wenn die USA die Drohung mit Strafzöllen fallen lassen. Malmström sprach sich auch gegen eine Neuauflage des gescheiterten Handelsabkommens TTIP aus.
Doch genau dafür streitet Deutschland. Der Exportweltmeister möchte unter anderem erreichen, dass die EU-Zölle für US-Personenwagen sinken, damit deutsche Autoexporte in die USA nicht gefährdet werden. EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) sprach sich bereits für ein „TTIP light“ aus. Auch der neue Generalsekretär der EU-Kommission, der CDU-nahe Jurist Martin Selmayr, setzt sich angeblich dafür ein.
Zölle vermeiden
Schützenhilfe bekommen beide aus Berlin. Es seien „konkrete Gespräche“ mit Washington nötig, um einen „Handelskrieg“ zu vermeiden, sagte Altmaier beim Treffen der EU-Handelsminister in Brüssel. Europa sei zwar ein selbstbewusster Verhandlungspartner. Dennoch sei es wichtig, Zölle zu vermeiden. Mit Gesprächen etwa über Industriestandards und Automobilimporte und -exporte sei dies „noch erreichbar“.
Mit solchen Äußerungen schwächt Altmaier jedoch die Position der EU-Kommission, die eigentlich allein für Verhandlungen zuständig ist. Er möchte die Tür für Gespräche bis zur letzten Minute offen halten – während Malmström bereits 332 US-Produkte, von Levi’s Jeans bis zur Erdnussbutter, auf die Liste möglicher Vergeltungsmaßnahmen gesetzt hat.
Für zusätzlichen Druck sorgt eine vorläufige Einigung der USA mit China. Washington und Peking hatten sich am Wochenende darauf verständigt, den chinesischen Markt für US-Produkte zu öffnen und das amerikanische Handelsbilanzdefizit abzubauen. Der Deal ist zwar noch nicht perfekt, wichtige Details fehlen noch. Aber die Verständigung mit China ist ein Rückschlag für die EU.
Deutschlands Exportüberschuss macht Probleme
In Brüssel hatte man auf einen transatlantischen Schulterschluss gegen die teilweise unfairen Handelspraktiken der Chinesen gehofft. Stattdessen steht nun auch die EU unter Druck, ihren Handelsüberschuss zu senken.
Verantwortlich dafür ist vor allem Deutschland. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes führte Deutschland im vergangenen Jahr für 50,5 Milliarden Euro mehr Waren in die USA aus, als es von dort bezog. Damit ist Deutschland etwa für die Hälfte des europäischen Überschusses verantwortlich. Demgegenüber ist die Handelsbilanz zwischen Frankreich und den USA nahezu ausgeglichen.
Altmaier wiegelt ab. Er könne keinen Dissens mit Frankreich erkennen, sagte der CDU-Politiker. Außerdem sei Deutschland im Kreise der EU „nicht isoliert“. Allerdings müsse sich erst noch ein Konsens bilden. Viel Zeit bleibt nicht mehr: In neun Tagen läuft das US-Ultimatum aus.
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