Handball als Weltsport: Klein und doch auch ganz groß

Der Handball expandiert. Das kann man auch bei der WM in Schweden und Polen beobachten. Um olympisch zu bleiben, braucht es globale Bündnispartner.

Handballspieler hoch in der Luft, um über die Gegenspieler den Ball ins Tor zu werfen

Hoch ist das Handballniveau in Europa: die Polen im Auftaktspiel gegen Frankreich in der Offensive Foto: Michal Stanczyk/imago

Er ist etwas für Feinschmecker. Für Handballgourmets, für Freunde ungewohnter Paarungen wie: Belgien gegen Cape Verde. Oder USA gegen Saudi-Arabien. Für manchen tief gefallenen Favoriten wird es sich wie Nachsitzen anfühlen, wenn man doch nach Hause möchte. Aber für Novizen des Handballs ist der „Presidents Cup“ der krönende Abschluss einer Weltmeisterschaft. Hier ist man endlich unter sich. Weitgehende Chancengleichheit.

Ab dem 18. Januar spielen im polnischen Plock die Kleinen dieser WM gegeneinander, am 25. Januar wird dann feststehen, wer die Titelkämpfe als 25. beendet und somit der Beste vom Rest geworden ist. Es wird auch einen 32. geben, und das ist leider – hochtrabender Name hin oder her – eindeutig der letzte.

Nach Ägypten 2021 veranstaltet der Welt-Handballverband IHF zum zweiten Mal eine WM mit 32 statt 24 Teilnehmern. Es gibt Teams aus dem Nahen und Mittleren Osten, aus Asien, aus Südamerika, aus Afrika. Auch die USA sind dabei; sie sollen als Gastgeber der Olympischen Spiele 2028 Handballerfahrung sammeln.

Es spottet sich leicht über Spiele wie am Donnerstagabend in Kattowitz; leere Halle, kaum Stimmung, als Slowenien im Schlaf Saudi-Arabien schlägt. Doch „Let’s stick together“, der Slogan dieser WM in Schlesien, passt ganz gut, denn irgendwie halten die beiden Teams tatsächlich zusammen, als Slowenien dem Gegner aus Saudi-Arabien ein paar Tore schenkt, in der Abwehr nicht mehr zupackt. Die Spieler aus Nahost jubeln über jeden Treffer, auch der pummelige Torwart strahlt, als er einen Ball abwehrt: Handball-Entwicklungshilfe.

Europäisches Kernland

Es ist keine kühne These, dass der Weltmeister aus Europa kommen wird. Hallenhandball wurde hier erfunden, und nur hier wird er professionell gespielt. Die IHF möchte aber eine weltweite Sportart aus ihm machen, wohl wissend, dass „Handball“ in Amerika und Großbritannien etwas völlig anderes ist und ein Nischendasein fristet.

Das nimmt Hassan Moustafa, 78, nicht den Mut, eifrig für den Handball als Weltsport zu trommeln. Der Ägypter hält sich schon lange an der Spitze der IHF, hat ein paar Skandale ausgesessen, einiges angestoßen, gilt als guter Freund der Deutschen, weil er früher in Leipzig studiert hat, und ist erstaunlich unumstritten. Ein recht dicker Vermarktungsvertrag hat dazu beigetragen und auch eine WM mitten in der Pandemie in Ägypten, die zu Ende gespielt wurde und einen Weltmeister hervorbrachte – Dänemark. Deutsche Teilnehmer berichteten, sie hätten sich nirgends so gut vor dem Virus geschützt gefühlt wie in Ägypten.

Moustafa treibt etwas um. Es ist der olympische Status des Handballs. Der steht auf dem Spiel. Wenn stets nur Europäer gewinnen, wenn für die große, weite Welt Handball unbekannt oder ein Spiel ist, bei dem man einen kleinen Gummiball mit der Handfläche gegen eine Wand schlägt, dann ist es schlecht bestellt um die olympischen Chancen der Team-Ballwerfer. Deswegen akquiriert Moustafa auf dem afrikanischen Markt, dem asiatischen, im Mittleren Osten.

Handball soll olympisch bleiben, dafür braucht er Bündnispartner. Er würde seinen Lieblingssport gern in die Winterspiele einordnen, schließlich sei er als Hallensport ja gar kein Sommersport. Und die größte Aufmerksamkeit bekommt der Handball jeden Januar, wenn EM oder WM gespielt werden. Die würde dann alle vier Jahre ausfallen, wegen Olympia, was auch den proppenvollen Kalender entzerren würde.

Zu großes Teilnehmerfeld

Der Expansionskurs hat also Gründe. In der Gegenwart wirft er Fragen auf. Kaum ein Land hat die Infrastruktur, um eine WM allein auszurichten. Deutschland und Dänemark 2019, nun Polen und Schweden, in zwei Jahren Norwegen, Dänemark und Kroatien: Das ist unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit kein Ruhmesblatt, betrachtet man allein die Flüge zwischen den Spielorten.

Andererseits wird fast überall in bestehenden Hallen gespielt; Auswüchse wie beim Fußball mit Stadien im Regenwald gibt es nicht. Und verglichen mit dem Basketball, wo während der EM in Georgien und Deutschland, Tschechien und Italien gepunktet wurde, gibt es den Nachbarschafts­aspekt beim Handball wenigstens annähernd.

Es ist kein ganz leichtes, aber doch ein ordentliches Leben im Aufmerksamkeitsschatten, den der Fußball lässt. Begeisterung in den Kernmärkten, TV-Präsenz, ein Eventpublikum, das verlässlich kommt – und dann den Handball bis zum nächsten Großereignis wieder vergisst. Daraus machen die IHF und ihr europäischer Ableger EHF ein vernünftiges Produkt. Dass beide den Vergleich mit dem Fußball scheuen, nicht versuchen, sich an ihm abzuarbeiten, ist von Vorteil. Das sind andere Dimensionen mit anderen Debatten, an denen man sich nur verbrennen kann.

Am Produkt WM wird von Mal zu Mal ein bisschen poliert, manches wird verbessert (Mülltrennung in den Hallen), anderes bleibt dürftig (Nahbarkeit des Verbands, Informationsfluss), doch insgesamt wirkt es, als sei die große, kleine Handball-Community mit ihrer WM, ihrer Aufmerksamkeit und ihrem Sport ganz zufrieden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.