Handball-Bundesliga: Kiels Niederlage freut die Konkurrenz
Nach dem 34:30-Sieg über den THW Kiel steht die SG Flensburg-Handewitt an der Tabellenspitze der Handball-Bundesliga.
FLENSBURG taz | Eine halbe Stunde war das Spiel schon vorbei, als Anders Eggert den Autogrammjägern entflohen war und in die Kabine der SG Flensburg-Handewitt eilte. Neun Tore hatte er im Spitzenspiel der Handball-Bundesliga gegen den THW Kiel erzielt. „Es ging fast alles“, sagte der Linksaußen der SG.
„Das war ja fast optimal, vor allem in der ersten Halbzeit“, freute sich auch Flensburgs Trainer Ljubomir Vranjes. So siegte die SG mit 34:30-(20:13-)Toren gegen den Rekordmeister, die 6.300 Fans in der Halle feierten das Team noch lange.
Die gesamte Liga dürfte das Resultat mit Zufriedenheit zur Kenntnis genommen haben. Denn mit dem Sieg der Flensburger, die mit 25:5-Punkten den Kielern (24:4) die Tabellenführung abjagten, rückt die Spitzengruppe eng zusammen. Sogar bei den Rhein Neckar-Löwen (21:7), nach Minuspunkten der Tabellenfünfte, dürften nun wieder Meisterschaftsambitionen aufflammen, wie auch beim HSV Handball (18:6).
„Wunderbar, dass wir die Liga wieder spannend machen konnten“, sagte Nationalspieler Holger Glandorf. „Wir waren die ganze Zeit heiß, es war großartig.“ Der überragende Mann allerdings war SG-Torhüter Mattias Andersson. „Siege gegen Kiel schmecken besonders“, sagte er.
Dabei waren die Kieler cool in das 76. Landesderby gestartet. Kapitän Filip Jicha & Co. demonstrierten Selbstbewusstsein, spulten ihre Angriffssysteme gegen die 6:0-Deckung der Flensburger maschinenhaft ab. Und wer weiß, wenn Kiels Patrick Wiencek in der zwölften Minute seinen Tempogegenstoß zur 5:7-Führung verwandelt hätte, dann wäre dieses Spiel womöglich völlig anders gelaufen. Aber Mattias Andersson, der schwedische Keeper, riss sein Knie rechtzeitig hoch und leitete einen Schnellangriff ein, den Spielmacher Thomas Mogensen verwertete.
Das war das Fanal für die über 6.000 Fans, die nun immer wieder aufstanden und die SG zu einem Lauf antrieben. Immer wieder verzweifelten die „Zebras“ nun an Andersson, der in der ersten Hälfte schon auf zehn Paraden kam und damit die THW-Keeper Johan Sjöstrand und Andreas Palicka klar ausstach. Allerdings trieb die SG-Defensive, die zunehmend aggressiver agierte, die Kieler auch zu Verzweiflungswürfen. „Wir haben zurecht verloren“, anerkannte Jicha, der allerdings mit den Pfiffen der Schiedsrichter haderte.
Extrem clever
Auch eine Auszeit, die THW-Coach Alfred Gislason beim Stand von 12:8 (18.) nahm, unterbrach diesen Lauf nicht mehr. Die SG spielte weiterhin extrem clever. SG-Coach Vranjes hatte offenbar angeordnet, den THW auch mit dem erweiterten Tempogegenstoß unter Druck zu setzen – hier zeichnete sich vor allem Rückraum-Linkshänder Steffen Weinhold aus, der seit Wochen in bestechender Form spielt. Als er einen Ball aus einem weiteren Tempogegenstoß in die Maschen drosch, führte die SG erstmals mit sieben Treffern (20:13, 29.). In der zweiten Hälfte hatte die SG erstaunlich wenig Mühe, den Vorsprung zu verwalten.
Die Flensburger, die in der Bundesliga seit zwei Jahren ungeschlagen sind, bauten ihre Serie mit dem Sieg auf 19:1-Punkte aus. Die Nordlichter dürften, wenn sie von Verletzungen verschont bleiben, sich als ernsthafter Konkurrent für den Rekordmeister erweisen. Das Vranjes-Team ist spieltaktisch derzeit das Nonplusultra in der Handball-Bundesliga.
Eigentlich sind die Profis im Rückraum Gegnern wie dem THW, dem HSV oder auch den Füchsen Berlin rein physisch unterlegen. Aber mit ihrem ausgezeichneten Timing und einem krassen Tempo kann diese Offensive, in der Weinhold noch heraussticht, jede Defensive auseinanderspielen. Die Liga, die ein Jahrzehnt vom THW Kiel dominiert wurde, scheint so offen wie schon lange nicht mehr.