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Hamburger WahlergebnisseVom Wähler hochgestuft

Fast die Hälfte der Stimmen auf den Landeslisten ging an Personen. Die Wähler befördern Kandidaten von den hinteren Listenplätzen in die Bürgerschaft.

Holte das zweitbeste Personenergebnis nach Scholz (li.): Mathias Petersen. Bild: dpa

HAMBURG taz | Es ist ein Platz mit wenig Ehre, aber viel Erfolg: Wer auf Platz 31 einer Parteiliste zur Bürgerschaftswahl stand, war nicht gerade ein Liebling des eigenen Wahlparteitags - in drei Fällen aber der WählerInnen: Bei der Bürgerschaftswahl haben die KandidatInnen auf Platz 31 der Landeslisten von CDU, SPD und GAL auffällig viele Personenstimmen erhalten.

Innensenator Heino Vahldieck (CDU), Jan Quast (SPD) und Heidrun Schmitt (GAL) werden höchstwahrscheinlich in die Bürgerschaft einziehen - dank dieser neuen Wahlmöglichkeit in den Landeslisten. Ihnen dürfte zugute gekommen sein, dass die Listen ihrer Parteien zwei Seiten umfassen, ihr Platz 31 auf der zweiten Seite ganz oben steht - und deshalb überdurchschnittlich viele WählerInnen dort ein Kreuzchen machten. Zumindest gibt es bislang keine andere Erklärung für dieses kuriose Phänomen. Die anderen Parteien haben kürzere Landeslisten zur Wahl gestellt.

Die Auszählungen der Stimmzettel der Bürgerschaftswahl vom Sonntag zieht sich derweil deutlich länger hin als erwartet. Erst am späten Dienstnachmittag war in den letzten Wahlkreisen klar, welche Direktkandidaten in die Bürgerschaft einziehen. Eine vollständige Liste der Mitglieder der nächsten Bürgerschaft hatte das Landeswahlamt bei Redaktionsschluss allerdings noch immer nicht vorgelegt.

In vielen Stadtteilen waren die Wahlhelfer schon bei der Auswertung der Landeslisten. Dabei zeigt sich, dass die WählerInnen intensiv von ihrem neuen Recht gebraucht gemacht haben, einzelne Personen auf den Listen zu wählen. Etwas weniger als die Hälfte der Stimmen auf den Listen landete direkt bei Personen. Einen entsprechenden Anteil der Mandate, die über die Listen vergeben wird, erhalten die Kandidaten mit den meisten Stimmen.

Bei der SPD profitiert davon am meisten Ex-Parteichef Mathias Petersen. Er holte auf Platz 20 der Liste das beste Personenstimmen-Ergebnis seiner Partei nach Olaf Scholz, mehr als 20.000 Stimmen landeten bei ihm. Fraktionschef Michael Neumann (Platz drei) ist etwa gleichauf. Es folgen Fraktionsvize Dorothee Stapelfeldt und der Reeder Erck Rickmers. Ungewöhnlich viele Stimmen erhielt in Barmbek Ex-Sozialsenator Jan Ehlers. Der 71-Jährige war nur zur Vervollständigung der Liste auf Platz sieben angetreten - und hat jetzt ein Direktmandat.

Bei der CDU hat besonders der parteilose Schulreform-Gegner Walter Scheuerl viele Personenstimmen erhalten - er hat das beste Ergebnis nach Spitzenkandidat Christoph Ahlhaus. Nach ihm folgen Sozialsenator Dietrich Wersich, Innensenator Heino Vahldieck und Noch-Parteichef Frank Schira. Scheuerl wird zusammen mit Karin Prien und Robert Heinemann, die in Blankenese und Altona Direktmandate holten, ein starkes Trio der Gymnasial-Lobby in der CDU-Fraktion bilden.

Bei der GAL holten auch Spitzenkandidatin Anja Hajduk und Parteichefin Katharina Fegebank Wahlkreis-Mandate.

Eine Überraschung wird es bei der Linken geben: Die 22-jährige Cansu Özdemir hat das zweitbeste Ergebnis nach Spitzenkandidatin Dora Heyenn errungen und rutscht deshalb von Listenplatz neun weit nach vorne - und in die Bürgerschaft.

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2 Kommentare

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  • P
    Patscho

    A propos, Scheuerl.

    Zumindest im direkten "Duell" mit dem Schulreformgegner konnte sich Christa Goetsch durchsetzen. Goetsch erhielt 22601 Personenstimmen, Scheuerl 22581.

  • FM
    Frau Meier

    Ein bisschen missverständlich finde ich die Ansage "Walter Scheuerl hat besonders viele Stimmen bekommen" - genauso wie bei Matthias Petersen - wenn man dabei den doch deutlichen Unterschied zwischen den Stimmen für den Spitzenkandidaten und denjenigen mit zweithöchstem Anteil unterschlägt. Herr Ahlhaus hat - nach derzeitigem Stand - fast 190.000 Stimmen bekommen, Herr Scheuerl mit 22.000 etwa ein Neuntel davon, der Abstand ist also doch gewaltig (Herr Scheuerl ist also mitnichten so etwas wie ein Nebenkönig geworden). Noch krasser ist das in der SPD: da hat Olaf Scholz über 615.000 Stimmen bekommen, Herr Petersen sogar noch weniger als Herr Scheuerl, nämlich rund 21.000. Auch hier sind die Verhältnisse sehr viel klarer, als der Artikel es suggeriert. Dagegen beträgt der Abstand zwischen Petersen und Neumann derzeit nicht einmal 500 Stimmen.