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Hamburger Verein Sportspaß in der KriseZu wenig App, Look and Feel

Hamburgs großer Freizeitsportverein „Sportspaß“ schreibt rote Zahlen. Der Klub kommt bei jungen Menschen nicht an – die greift ein Berliner Start-up ab.

Spricht deutlich weniger Menschen an als früher: Wegweiser des Vereins Sportspaß zum Sportcenter City Nord in Hamburg Foto: Hanno Bode/Imago

HAMBURG taz | Hamburgs Freizeitsportverein „Sportspaß“ schrumpft: Von einst mehr als 60.000 Mitgliedern sind jetzt noch rund 23.000 übrig. Dem Verein drohte zwischenzeitlich sogar die Insolvenz. Zwar scheint er sich nun etwas zu erholen. Doch rote Zahlen schreibt er weiterhin.

Der 1977 gegründete „Sportspaß“-Verein ist gemeinnützig, hat sich aber von den Dachorganisationen wie dem Hamburger Sportbund (HSB) und dem deutschen Olympischen Sportbund und deren Ligen- und Wettkampfbetrieb gelöst. Unter dem Motto „Spaß statt Leistung“ bietet er mittlerweile mehr als 3.500 Kurse im Monat an – von Ballsportarten bis Pilates und Yoga. Die 55 Standorte in verschiedenen Sporthallen sind über die ganze Stadt verteilt. Darunter sind auch sechs eigene Gymcenter. Die Mitgliedsbeiträge sind vergleichsweise niedrig und man kann quartalsweise kündigen, beides Vorteile gegenüber vielen anderen Vereinen oder Fitnessstudios.

Auch deswegen boomte „Sportspaß“ noch bis vor vier Jahren. Doch infolge von Corona verzeichnete der Verein Einbußen in Millionenhöhe: Während der Pandemie verlor er fast 15.000 Mitglieder pro Jahr. Im Oktober 2023 sprach die Vereinsführung daher von einer existenziellen Krise, man stand kurz vor der Insolvenz. Vor der Pandemie hatte der Verein 2,6 Millionen Euro Gewinn per anno erwirtschaftet. Im Jahr 2022 machte er dagegen 2,9 Millionen Euro Verlust. Auch 2024 fehlen ihm noch immer 700.000 Euro.

Andere Hamburger Sportvereine haben sich nach der Corona­pandemie längst wieder erholt. Laut HSB steigen die Mitgliederzahlen in den Vereinen. Für manche Kinder- und Jugendsportangebote wie Fußball gebe es sogar lange Wartelisten.

Wir wollen, dass der Mitgliederbeitrag im sozialverträglichen Bereich unter 20 Euro bleibt

Clemens Müller, Geschäftsführer

Davon ist „Sportspaß“ weit entfernt. Seit 2023 versucht sich der Verein mit Hilfe externer Beratung aus der finanziellen Krise zu retten. Teil der entwickelten Strategie ist eine einmalige Umlage, getragen von den Mitgliedern: 50 Euro sollen Erwachsene und 20 Euro Jugendliche zahlen. Wer das nicht will, hat ein Sonderkündigungsrecht.

Die externe Beratung hatte dem Verein eigentlich empfohlen, die Mitgliedsbeiträge zu erhöhen. Der seit September 2023 amtierende Geschäftsführer Clemens Müller lehnte das jedoch ab: „Wir wollen, dass der Mitgliederbeitrag weiter im sozialverträglichen Bereich unter 20 Euro bleibt.“ Das günstige Angebot und die Quartalskündigungsfrist garantierten dem Verein eine niedrige Einstiegshürde für Interessierte, sagt Müller. „2024 war das beste Jahr seit Langem“, betont er. Trotzdem haben noch einmal rund 250 Mitglieder mehr ihren Spaß-Vertrag gekündigt, als neue dazu gekommen sind.

Müller macht strategische Fehler des ehemaligen Vereinsmanagements dafür verantwortlich, dass „Sportspaß“ gegen den Hamburger Trend weiter abnimmt. Tatsächlich hatten sich alte und neue Vereinsführung seit 2020 wenig werbewirksam juristisch bekämpft und dabei offenbar versäumt, die Gymcenter zeitgemäß auszustatten. Ihnen fehle der „Coolness-Faktor“, sagt Müller. „Das Look and Feel ist jungen Menschen wichtig.“ Zu lange sei nicht in bauliche Maßnahmen investiert worden.

Urban Sports Club ist unter jungen Menschen beliebt

Die Gebäude seien gealtert und die Sanierung der Gymcenter auch unabhängig von ästhetischen Fragen längst überfällig. Außerdem sei nicht ins Marketing investiert worden: „Die junge Zielgruppe wurde nicht beworben.“ Man müsse unter anderem sichtbarer auf Social Media werden. Wirklich Geld investieren kann der Verein in große Marketingstrategien jedoch nicht, solange die finanzielle Lage nicht stabiler ist.

Auch bei der Digitalisierung hinkt der Verein „Sportspaß“ anderen Angeboten in der Stadt hinterher. Erst für 2025 ist eine nutzerfreundliche App vorgesehen. Was das Profil hingegen besonders macht, ist die Vielfalt der Angebote von Yoga bis Fußball.

Dass diese Art der Flexibilität eigentlich den Zeitgeist trifft, zeigt sich am Erfolg des Berliner Start-ups Urban Sports Club. Die seit zehn Jahren etablierte Plattform bietet für mindestens 60 Euro im Monat die Möglichkeit, europaweit an verschiedensten Kursen teilzunehmen. Urban Sports Club ist dabei Vermittler zwischen seinen Mitgliedern und Sportanbietern vor Ort. Hamburg zähle unter den deutschen Städten zu den Top Five, was den Erfolg von Urban Sports betrifft. Mit ihrer Zielgruppe von 25 bis 40 Jahren ist das Angebot insbesondere unter jungen Menschen beliebt.

Optimismus für Sportspaß Zukunft

Als Internet-Plattform könnte Urban Sports Club soziale und lokale Fitness-Anbieter wie Sportspaß verdrängen und es ihnen erschweren, ihre Mitglieder zu halten. Damit träten profitorientierte Anbieter an die Stelle gemeinnütziger Angebote.

Clemens Müller sieht „Sportspaß“ davon bisher jedoch kaum bedroht. Mit seinen langjährigen Vereinsstrukturen und eigenen Trai­ne­r:in­nen biete man ein familiäres Gemeinschaftsgefühl, das es bei Urban Sports nicht gebe. Steffi Klein vom HSB betonte: „Ob einem ein Vereinsgefühl wichtig ist, ist Typsache.“

Für die Zukunft des Vereins zeigt sich Müller optimistisch. Während andere in Anbetracht der Lage vor dem Amt schreiend weggelaufen seien, glaubt er daran, dass er das schaffen kann. Veränderungen im Geschäftsmodell schließt Müller nicht aus: „Ich wünsche es mir nicht, aber man sollte trotzdem vorbereitet sein.“ Ob man beispielsweise monatliche Mit­glie­der habe oder Tagesgäste, am Ende ist „Sportspaß“ der Ort, wo der Sport stattfindet – das könne Urban Sports eben nicht bieten.

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