Hamburger Präses über Kirchen-Moschee: „Diese Regeln sind Menschenwerk“
Muslime wollen eine stillgelegte Kirche im Hamburger Stadtteil Horn zu einer Moschee umwidmen. Präses Andreas Tietze über Rechtsordnungen und Islamophobie.
taz: Herr Tietze, Sie haben auf Sylt mit Ihrer Kirchenarbeit begonnen. Auf der Insel wird eine katholische Kirche bald als Nationalpark-Infozentrum genutzt. Wie finden Sie das?
Andreas Tietze: Eine Kirche muss immer ein Raum bleiben, der kulturell oder sozial genutzt wird oder auch im Sinne der Bewahrung der Schöpfung. Sie würden mir sicherlich zustimmen, dass nicht zwingend Karstadt in die Kirche einziehen sollte. Die Alternative wäre: Die Gemeinde reißt die Kirche ab und verkauft das Grundstück.
Ist ein Abriss denn besser als eine Nutzung des Gebäudes, die der Kirche nicht gefällt?
Die Frage ist, ob man ein Gebäude unter diesen Nutzungsbedingungen noch verkaufen kann. Ob man einen Vertragspartner findet, der sich darauf einlässt. Ich möchte das nicht werten. Ein Gebäude hat immer auch einen symbolischen Wert. Wir reden über emotionale Bindungen oder Ärgernisse. Auf Sylt kommen nun nach wie vor Menschen in diesen Raum, die sich mit der Schöpfung beschäftigen. Eine für mich völlig adäquate Nachnutzung.
Im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel wird eine ehemalige evangelische Kirche als jetzt als Café und von kleinen Unternehmen genutzt. Ist das auch kirchenkonform?
Eimsbüttel würde ich als Ausnahme sehen. Würde der Raum als Disko oder Gewerbeobjekt genutzt, wo die Nutzung Ärgernis oder Befremden auslöst, wäre das etwas anderes.
50, ist seit November Synodenpräses der evangelischen Nordkirche. Er ist grüner Landtagsabgeordneter in Kiel und kandidierte dort auch um das Oberbürgermeisteramt.
Diese Ausnahme ist in der so genannten Rechtsverordnung der Nordkirche verankert. Dort steht auch, dass eine Nutzung durch nicht-christliche Religionsgemeinschaften – in diesem Fall von Muslimen – nicht zulässig ist. Warum ist das so?
Ich finde es wichtig, dass dieses Thema nicht in Islamophobie abgleitet. Es muss klar sein, dass jemand, der sich hier in seinen Gefühlen verletzt sieht, keine islamophobische Debatte führt. Solche Debatten müssen in guter Tradition des interreligiösen Dialoges geführt werden. Das ist das, was ich auch bei der ehemaligen Kapernaum-Kirche sehe: Dass man hier mit Al-Nour auf Augenhöhe spricht.
Das ist der islamische Verein, der die Kirche im Hamburger Stadtteil Horn gekauft hat.
Die Kapernaum-Kirche wurde zu einer Zeit verkauft, als es die Rechtsverordnung noch nicht gab, in der man vielleicht gar nicht geahnt hat, dass jemand auf die Idee kommt, eine Kirche als Moschee zu nutzen.
Aber warum ist es besser, wenn aus einer Kirche eine Synagoge wird, als wenn aus ihr eine Moschee wird?
Durch die Zeit zwischen 1933 und 1945, in der auch Protestanten keine sehr rühmliche Rolle gespielt haben, haben wir eine besondere Verantwortung. Zudem sind die jüdisch-christlichen Gemeinsamkeiten zweifellos stärker. Aber alle drei Religionen haben die gemeinsame abrahamitische Wurzel. Deshalb erschließt sich mir die Regelung auch nicht ganz. Ich finde nur, das Thema Moscheen darf in Deutschland nicht dazu verwendet werden, um Christen und Muslime gegeneinander in Stellung zu bringen. Es ist wichtig, dass es zu keinem Kampf der Religionen kommt, dass keine unnötigen Gegensätze entstehen.
Diese Gegensätze entstehen aber doch zwangsläufig, wenn die Kirche sagt: Es ist in Ordnung, eine Synagoge aus einem entwidmeten Kirchengebäude zu machen, doch bei Moscheen ist das anders. Da wird ein Konflikt geschaffen.
Ja, aber Rechtsverordnungen sind Menschenwerk und man kann sie auch ändern. Das muss weiter theologisch diskutiert werden.
Wünschen Sie sich diese Debatte?
Es gibt im Rahmen der Nordkirche einen Raum für das Thema interreligiöser Dialog. Da wird man einen ergebnisoffenen Diskussionsprozess führen müssen.
Wie ist denn Ihre persönliche Position? Finden Sie diese Verordnung noch zeitgemäß?
Im Moment mag sie noch einen gewissen Zeitgeist treffen und ist Ergebnis der bisherigen Debatten in unserer Kirche. Das Thema Zusammenwirken von Islam und Christentum entwickelt sich weiter. Ich würde es aber aufgreifen und vielleicht neu ausrichten. Wir als Kirche stellen uns diesem Diskurs.
Die Position von EKD-Kirchenamtspräsident Hans Ulrich Anke ist klar. Er hat gesagt, man darf Kirchenräume nicht für das Predigen anderer Gottesbilder zur Verfügung stellen.
Das ist die Position der EKD und derzeit auch der Nordkirche. Den Weg, den wir gehen, müssen wir ausloten und das im Rahmen unserer demokratischen Strukturen. Interreligiöser Dialog heißt für mich aber auch, die Unterschiede zu benennen. Ich habe mir da noch keine abschließende Meinung gebildet.
Sie sind als grüner Politiker in das Amt gekommen und haben gesagt, dass Sie für Weltoffenheit und Willkommenskultur stehen. Tragen Sie deshalb eine besondere Verantwortung für die Verständigung zwischen Christentum und Islam?
Natürlich. Im Wahlkampf um das Kieler Oberbürgermeisteramt habe ich hier alle Moscheen besucht. Ich habe mich gefreut über die gute Gesprächskultur, die mir entgegen gebracht wurde. Ich finde extrem spannend, dass es hier Ansätze gibt, neue Wege zu gehen. In diesem Sinne habe ich auch Weltoffenheit gemeint.
Bis wann kann man mit einer Veränderung der Rechtsverordnung rechnen?
Das wird davon abhängen, ob dieses Thema innerhalb der Kirchengremien aufgegriffen wird. Ich weiß nicht, ob und in welcher Form das geschieht, aber ich glaube schon, dass durch die Diskussion über die Kapernaumgemeinde eine Debatte innerhalb der Nordkirche beginnen kann. Wir werden keine Diskussion unterdrücken, ganz im Gegenteil.
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