Hamburger Polizei übermalt Demo-Aufruf: Zu viel Information über Anwalt mit rechten Verbindungen
Eine Initiative will vor der Kanzlei eines völkisch verbundenen Hamburger Anwalts demonstrieren. Die Polizei übermalte das Plakat mit dem Demoaufruf.
V ergangene Woche war es mal wieder soweit: Polizist*innen rückten in weißen Schutzanzügen und mit schwarzer Farbe vor dem linken Kulturzentrum Rote Flora im Hamburger Schanzenviertel an, um ein Plakat zu übermalen.
Bei der aktuellen Maleraktion ging es nicht um 1 Pimmel und den Hamburger Innensenator oder um eine Liste mit „13 Dingen, die du gegen die AfD tun kannst“, sondern um die Ankündigung einer Kundgebung über die Strukturen von völkischen Siedlern im nord-östlichen Niedersachsen. Eine antifaschistische Initiative hatte auf dem Plakat an der Flora für kommenden Montag vor einer Kanzlei in bester Hamburger Innenstadtlage zu einer Demo samt Infoveranstaltung aufgerufen.
Die Polizei übermalte das Plakat, weil auf ihm der Name und die Arbeitsadresse eines in der Kanzlei beschäftigten Anwalts stand, der seit Jahren fest in völkischen Siedlungsnetzwerken verankert sein soll. Die Angaben auf dem Plakat verletzten die Persönlichkeitsrechte des Anwalts.
Der Anwalt, den die Kanzlei als „einen der führenden Immobilienanwälte in Deutschland“ auf ihrer Website vorstellt, kommt aus der Lüneburger Heide. In der Region zwischen Uelzen und Lüneburg haben sich völkische Sippen niedergelassen, die Brauchtumsfeste, Volkstanzrunden, Theater- und Liederabende ausrichten. Sie wollen ihre Weltanschauung von einer vermeintlich ethno-kulturellen Identität und Kultur leben. Diese Treffen sind gleichzeitig so etwas wie Kontaktbörsen für die rechte Szene. Der Anwalt kommt aus einem solchen Familienzusammenschluss, seine Ehefrau ebenfalls.
Sein Vater Uwe B., der bei der völkischen Jugendorganisation „Bund heimattreuer Jugend“ aktiv war, betrieb eines der bundesweit größten rechtsextremen Antiquariate. Sein Verlag mit Sitz im niedersächsischen Toppenstedt führt heute einer seiner Söhne. Bis heute können über den Verlag Klassiker der rechtsextremen Publizistik bestellt werden: Das 1923 erstmals erschienene „Das dritte Reich“ von Arthur Möller van den Bruck zum Beispiel, oder „Gottlied des Lebens erklingt auch dir“ von Mathilde Ludendorff, veröffentlicht 1940.
Beide Söhne waren bei der rechtsextremen Organisation „Sturmvogel“ aktiv, das legt eine Sonderausgabe der Sturmvogel-Zeitung Sturmbote nahe. Die Organisation taucht heute in Jahresberichten des Verfassungsschutzes Niedersachsen auf und wurde 1987 von Mitgliedern der später verbotenen „Wiking Jugend“ gegründet. Hier wird der Nachwuchs geschult und ertüchtigt.
In einem Gründungsflugblatt steht, dass mit der Jugendarbeit ein „Vorleben“ vermittelt werden soll, das gegen den „Ungeist“ aufbegehrt, „der unserem Volk derzeit jeden Atemzug verpestet“. Als „volkstreu eingestellte Deutsche“ wollen die Mitglieder leben – und gesellschaftliche Veränderung bewirken.
Bis heute bei völkischen Treffen dabei
Auch die Ehefrau des Anwalts war – gerichtsfest belegt – beim Sturmvogel aktiv. Das Landgericht Verden wies ihre Klage gegen eine Recherche der Journalistin Andrea Röpke ab, die auch für die taz schreibt. Bis vor das Bundesgericht, die letzte Instanz in Straf- und Zivilverfahren zog sie. 2024 scheiterte sie dort endgültig mit ihrer Klage. Auf dem Anwesen der Familie des Anwalts finden bis heute Szene-Veranstaltungen statt. Aufnahmen von Röpke belegen, dass der Immobilienanwalt aus Hamburg noch immer bei völkischen Events dabei ist.
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