Hamburger Kulturpolitik: Nach Gutsherrinnenart
Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos) ist die Subkultur egal. Aber auch hochkulturell geht vieles schief: Die Elbphilharmonie frisst Geld ohne Ende und die Museen werden gegängelt.
HAMBURG taz | Eigentlich ist Hamburgs Kulturszene gar nicht so übel: Sieben große Museen hat sie, eine schöne neue Elbphilharmonie bekommt sie - das alles hinterfangen von einer agilen Subkultur-Szene. Bestückt mit Menschen, die auch mal leer stehende Häuser besetzen, die die Stadt eigentlich an Investoren verhökern wollte, wie im Herbst 2009 im Gängeviertel geschehen.
Der Kontrast zwischen Hoch- und Subkultur allerdings ist in Hamburg größer als anderswo. Und dass Politiker Erstere lieben und Letztere nicht - es überrascht kaum. Finanz-, Justiz- und Umweltsenatorin verzeiht man das. In Hamburg allerdings hat dieses Schwarz-Weiß-Denken auch die Kultursenatorin ergriffen: Nicht nur, dass Karin von Welck (parteilos) ihr knappes Geld gern dahin gibt, wo es Renommee verspricht - in die täglich teurere Elbphilharmonie zum Beispiel. Sie lässt es auch massiv an Fürsorge für jene fehlen, die den Nährboden der "Hochkultur" bilden: die noch nicht arrivierten Künstler. Ihnen eine feste Quote günstigen Atelierraums zuzusagen, weigert sich die Senatorin. Man könnte ja Investoren verschrecken.
So weit, so betriebswirtschaftlich. Überraschend unprofessionell agieren Hamburgs Politiker aber bei der Umsetzung genau jener Prestigeprojekte, für die sie so vehement kämpften: Nicht nur, dass für die Bespielung der Elbphilharmonie mit "Weltklasse-Orchestern" (O-Ton von Welck) kaum Geld vorgesehen ist. Auch das Baugeschehen des inzwischen 323 Millionen teuren Glaskolosses gerät zunehmend außer Kontrolle: Kürzlich erst waren neue, millionenschwere Nachforderungen der Baufirma Hochtief bekannt geworden. Die SPD fordert deshalb jetzt einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Monate dauerte es auch, bis die Stadt einräumte, dass die Elbphilharmonie nicht, wie geplant, zum Mai 2012 fertig werde. Zugleich ließ die Kultursenatorin ausrichten, "offiziell" glaube sie weiter an die pünktliche Eröffnung.
Verdruckst und selbstgerecht zugleich: So lässt sich auch Karin von Welcks Umgang mit Hamburgs Museen beschreiben. 1999 - unter ihrer Vor-Vorgängerin Christina Weiss - von der Stadt Hamburg in selbstständige Stiftungen verwandelt, waren die Häuser von Anfang an defizitär, weil unterfinanziert. Immer wieder wächst seither der Schuldenberg; eine Entschuldung im Jahr 2007 half nur kurz. Und aus eigener Kraft können sich die Häuser nicht sanieren, deckt die Subvention bei einigen doch nicht einmal die Fixkosten - bei der Kunsthalle etwa.
Obwohl die Fakten hinreichend bekannt sind, verlegt sich Hamburgs Kultursenatorin aufs Leugnen und Gängeln: Die Häuser müssten eben besser rechnen, um das Defizit in den Griff zu bekommen, sagt sie. Zumal vor kurzem eine - von der Kulturbehörde georderte - Expertise den Museen eine "auskömmliche Finanzierung" bescheinigt hat: Bei Normalbetrieb - sprich: ohne Ausstellungen. Die aber bringen die Besucher - und Besucherzahlen fordert Kultursenatorin durchaus ein.
Eine Doppelzüngigkeit, die ihr die Kulturschaffenden immer weniger verzeihen. Die Hamburger Museumsszene jedenfalls - dabei zählt sie eigentlich zur gehätschelten "Hochkultur" - kocht derzeit. Vor wenigen Tagen nämlich hat die Senatorin neue Strafmaßnahmen für die Häuser beschlossen. Darunter die Einrichtung eines Fonds für Ausstellungen, um den sich die Museumsdirektoren wie Pennäler bewerben müssen. Entscheiden wird eine von der Kulturbehörde eingesetzte Jury. Eine Entmündigung, finden die Direktoren, wofür würden sie schließlich bezahlt, wenn nicht für ihre je eigene Ausstellungspolitik. "Wir werden zu Dienststellen der Kulturbehörde", tobt ein Insider. "Das ist ein Verfahren nach Gutsherrenart." Dazu passt auch, dass die Senatorin jenen Museen, die eine Konsolidierung schaffen, für 2013 eine erneute Entschuldung in Aussicht stellt - "als Belohnung". Dieses Vokabular entstammt der schwarzen Pädagogik und zeugt kaum von Respekt für die Betroffenen.
Dass die alles an sich reißende Kultursenatorin es selbst nicht unbedingt besser kann, hat jetzt allerdings ein Stiftungsratsmitglied der Hamburger Kunsthalle angedeutet: Ekkehard Nümann vom Kunsthallen-Freundeskreis beschuldigt die Senatorin, zum Defizit der Museen höchstpersönlich beizutragen. Denn immer wieder setze die Senatorin im Alleingang kostspielige Ausstellungen durch. "Wenn man dann sagt, das sei nicht finanzierbar, heißt es, dann müssten sich die Museen eben anstrengen." Dies also ist der aktuelle Umgangston hamburgischer Kulturpolitik.
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