Hamburger Koalitionsverhandlungen: Grundschule als Verhandlungsmasse
Sechs, sieben oder neun Jahre gemeinsam lernen? CDU und Grüne in Hamburg verhandeln am Dienstag über Schulpolitik.
BERLIN taz Im Wahlkampf war es eines der Spaltthemen zwischen der CDU und der Grün-Alternativen Liste (GAL) in Hamburg: die Zukunft der Schulen. Am heutigen Dienstag wollen die beiden Parteien bei ihren Koalitionsverhandlungen nun Kompromisse aushandeln. Und wie auch bei anderen Streitpunkten gilt: Wo CDU und Grüne noch vor Wochen Welten zu trennen schienen, ist plötzlich eine Einigung möglich.
"Neun macht klug" war der Slogan, mit dem die Grünen mit Spitzenkandidatin Christa Goetsch in den Wahlkampf gezogen waren. Sie wollten eine "Schule für alle" einführen, in der Kinder bis zur neunten Klasse gemeinsam und ganztags lernen. Die CDU hingegen hatte schon vor der Wahl ein "Zwei-Säulen-Modell" beschlossen. Neben den Gymnasien soll es in Zukunft Stadtteilschulen geben, in denen Haupt-und Realschulen aufgehen. Auch dort soll es möglich sein, das Abitur abzulegen.
Von diesen Plänen will die Union auch nicht abrücken. "Wir wollen das Gymnasium beibehalten, wie wir es im Wahlkampf versprochen haben", sagte eine CDU-Sprecherin am Montag. Als "nicht verhandelbar" hatte Bürgermeister Ole von Beust (CDU) dies stets bezeichnet.
Dafür kam von Beust den Grünen bereits bei den Sondierungsgesprächen Anfang März mit dem Vorschlag entgegen, die Schüler nicht wie bisher nach der vierten, sondern erst nach der sechsten Klasse aufzuteilen. So handhaben es auch Berlin und Brandenburg. Dazu soll ein verpflichtendes Vorschuljahr für alle fünfjährigen Kinder kommen. "Sieben macht klug", lautet inzwischen auch der neue Lieblingsslogan von GAL-Politikerin Goetsch - ein Jahr Vorschule plus sechs Jahre Grundschule. Goetsch wird als Bildungssenatorin einer möglichen ersten schwarz-grünen Koalition auf Länderebene gehandelt.
Der Jubel bei den Grünen ist wohl auch deshalb so groß, weil sie mit einem so schnellen Entgegenkommen von Beusts nicht gerechnet hatten. In der Hamburger CDU ist das Grummeln über die Verlängerung der Grundschule dagegen deutlich zu hören. Manche Unionisten halten die Verlängerung der gemeinsamen Lernzeit für einen Einstieg in die verhasste "Einheitsschule". Wie konservative Lehrerverbände und Elternvereinigungen fürchten sie eine Schwächung der altehrwürdigen Gymnasien - und dass die Eltern womöglich ihre Kinder auf Schulen in den benachbarten Bundesländern schicken könnten. Dass sich von Beust von den Kritikern an diesem Dienstag bei den Koalitionsverhandlungen im Hotel "Grand Elysée" abbringen lässt, ist jedoch unwahrscheinlich.
Denn die Verlängerung der Grundschule bietet ihm auch Verhandlungsmasse, um die Grünen zu Zugeständnissen bei anderen Themen zu bewegen. Etwa der Elbvertiefung, gegen die sich die GAL wohl kaum wird stemmen können.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links