Hamburger Initiative zu Nazipropaganda: Wider den Hakenkreuz-Tourismus
Um der Justiz zu entgehen, reisen manche Nazis ins Ausland und verbreiten ihre Propaganda dort. Das will Hamburgs Regierung nun verbieten.
Anlass war ein Verfahren beim Bundesgerichtshof. Dort wurde ein Rechtsradikaler aus Kronach (Bayern) freigesprochen, der im Frühjahr 2011 bei YouTube einen Kanal namens „arische Musikfraktion“ betrieben hatte. Dort waren immer wieder auch Hakenkreuze zu sehen. Das Landgericht Coburg hatte den Neonazi deshalb wegen „Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ zu einer Jugendstrafe verurteilt.
Der Bundesgerichtshof hob das Coburger Urteil im August 2014 auf. Da der Rechtsradikale die Videos von einem Computer in Tschechien hochlud, sei die Tathandlung nicht in Deutschland erfolgt. Und auf den Ort, an dem die Wirkung eintritt, komme es hier nicht an, da das Verwenden verfassungswidriger Kennzeichen als „abstraktes Gefährdungsdelikt“ auch ohne Wirkung stets strafbar sei. Der BGH räumte aber die Möglichkeit ein, „dass Personen – wie vorliegend der Angeklagte – gezielt die Grenze überqueren werden, um Kennzeichen in das Internet einzustellen, deren Verwendung im Inland mit Strafe bedroht wäre“.
Hamburg schlägt nun vor, diese Lücke zu schließen. „Wir wollen verhindern, dass sich ein Nazipropaganda-Tourismus entwickelt“, sagte Justizsenator Till Steffen (Grüne). Der Hamburger Gesetzentwurf sieht vor, dass die Verwendung von NS-Kennzeichen und -Propagandamitteln im Ausland immer dann strafbar sein soll, wenn der Täter seine „Lebensgrundlage“ in Deutschland hat. Wenn also ein deutscher Nazi nach Tschechien fährt, um via Internet Hakenkreuze oder NS-Parolen zu verbreiten, würde er sich strafbar machen. Wenn ein tschechischer Nazi das Gleiche täte, wäre es dagegen, jedenfalls nach deutschem Recht, nicht strafbar, obwohl seine Hakenkreuze auch in Deutschland sichtbar wären.
Damit der Vorschlag Gesetz wird, ist eine Änderung des Strafgesetzbuchs durch den Bundestag erforderlich. Zunächst wird der Hamburger Entwurf aber im Bundesrat diskutiert.
Das neue BGH-Urteil hat indes keine Auswirkung auf Volksverhetzungen im Internet. Diese sind weiterhin schon dann strafbar, wenn sie sich (auch) an ein deutsches Publikum richten. Das hat der BGH 2000 im Fall des australischen Holocaust-Leugners Fredrick Toben entschieden. Die Volksverhetzung sei ein „konkret-abstraktes“ Gefährdungsdelikt. Da es auf die Eignung zur Gefährdung des öffentlichen Friedens in Deutschland ankomme, könne die Tat auch von Australien aus begangen werden.
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