Hamburger Hauptbahnhof: Bahnhof mit Gewächshaus

Der deutschlandweit meistfrequentierte Bahnhof in Hamburg soll erweitert werden. Der Denkmalverein sieht die Pläne dafür kritisch.

ein Stadtmodell

Soll eine große Erweiterung bekommen: Der Hamburger Hauptbahnhof Foto: Daniel Reinhardt/dpa

HAMBURG taz | Der Hamburger Hauptbahnhof ist so voll, dass der Fußgängerverkehr reguliert werden muss. Auf den breiten Stegen über den Gleisen zeigen Pfeile an, wo man in welche Richtung gehen soll. Den Strom an Fahrgästen und Passanten zu queren, ist bisweilen kaum möglich. Jetzt sind die Pläne für eine Erweiterung des 1906 eröffneten Bauwerks veröffentlicht worden. Kritik entzündet sich daran, dass die Südfassade des spektakulären Bauwerks zugestellt werden soll.

Mehr als eine halbe Million Menschen passieren täglich den zentralen Hamburger Knotenpunkt. In ganz Europa drängen sich nur in Lyon mehr Menschen durch einen Bahnhof. Dabei sollen es in Hamburg noch viel mehr werden: 750.000 in 20 Jahren. Die Bahn hat angekündigt, einen „Deutschland-Takt“ einzuführen, was bedeutet, dass Fernzüge in Zukunft alle halbe Stunde fahren. Zwei neue

U-Bahn-Linien sollen durch den Hauptbahnhof geführt und der S-Bahn-Takt nach Nordosten stark verdichtet werden. „Dieser Entwicklung gilt es Rechnung zu tragen“, sagte Verkehrssenator Anjes Tjarks (Die Grünen) bei der Vorstellung der Pläne.

Um die Lage zu entspannen und der Prognose Rechnung zu tragen, hatten die Stadt und die Bahn einen städtebaulichen Wettbewerb ausgelobt. „Es ist sehr wichtig, die Erweiterung des Hauptbahnhofes räumlich, architektonisch und städtebaulich groß zu denken“, sagte Tjarks. Das Hamburger Büro BOF Architekten und die Landschaftsarchitekten Hutter Reimann hätten dafür „ein schlüssiges Gesamtkonzept gefunden“, lobte Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD).

Oberbaudirektor lobt den Siegerentwurf

Die Architekten und Stadtplaner schlagen gläserne Erweiterungsbauten vor, die den charakteristischen Querschnitt der Bahnhofshalle aufnehmen. An der Ostseite, zum Schauspielhaus hin, wird die in kleinen Bögen überdachte Vorhalle um einen Vorbau ähnlicher Gestalt erweitert. Dafür wird der Vorplatz freigeräumt.

Auf der Nordseite werden die Gleise zur Hälfte mit einem Platz überdeckelt, auf der Südseite wird ein gläsernes Geschäftsgebäude über die Gleise gestellt; die Straße zwischen Bahnhof und Neubau soll überdacht werden und nur noch Fußgängern, Bussen, Taxen und Lieferfahrzeugen zur Verfügung stehen. Die Erweiterung soll neue, witterungsgeschützte Zugänge zu den Gleisen ermöglichen.

„Großzügig, höchst funktional, architektonisch überraschend und dennoch vertraut und selbstverständlich“ – so lasse sich die Arbeit der ersten Preisträger charakterisieren, lobte Hamburgs Oberbaudirektor Franz-Josef Höing. Den Entwerfern gelinge es auf eine erstaunlich einfache Art und Weise, mit der selbstbewussten Geste einer offenen, schönen Halle den Bahnhof zu erweitern. Große Freiräume blieben erhalten, Blickbeziehungen würden inszeniert, die Aufenthaltsqualität verbessert.

Gerrit Fuß, verkehrspolitischer Sprecher den Grünen-Bürgerschaftsfraktion, lobte die „Klarheit und den respektvollen Bezug zum historischen Erbe“, und auch seine Kollegin Anke Frieling von der oppositionellen CDU sprach von einem grundsätzlich gelungenen Entwurf. Der habe allerdings ein entscheidendes Manko: „Die stadtbildprägende Südfassade des denkmalgeschützten Bahnhofsgebäudes wird in Zukunft verdeckt sein“, kritisierte Frieling.

Mit Büroflächen refinanzieren

Die Südfassade des Bahnhofs ist verglast und zeigt die frei tragende Konstruktion der Bahnhofshalle, die mit 70 Metern Spannweite einigermaßen spektakulär ist. Mit dem jetzt gewählten Entwurf werde deren Weitenwirkung für immer verloren gehen, warnte der Denkmalverein. Stadtgeschichtlich bedeutsame Straßen- und Sichtachsen würden verstellt.

„Und warum?“, fragt der Verein in einer aktuellen Stellungnahme. „Nicht aus funktionalen Gründen, sondern weil die Bahn die notwendigen neuen Bahnsteigzugänge über 15.000 Quadratmeter neue Büro- und Gewerbeflächen refinanzieren will.“ Da wäre es doch viel eher im Sinne der Stadtgesellschaft, das denkmalgeschützte Bahnhofsgebäude von seinen heutigen Anbauten zu befreien. Leistungsfähiger lasse sich der Bahnhof auf einfachere Weise machen.

Der jetzt gewählte Entwurf orientiert sich an den engen Wettbewerbsvorgaben der Bahn. Den schon im Vorfeld geäußerten Bedenken der Denkmalschützer kommt er in gewisser Weise entgegen, indem er sehr um Transparenz und Leichtigkeit bemüht ist und zumindest aus bestimmten Blickwinkeln eine Sicht auf die alte Fassade ermöglicht.

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