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Hamburger Gerichtsurteil gegen SyrerZehn Jahre Haft für Assads Folterknecht

Ein 47-jähriger Syrer ist in Hamburg wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt worden. Drei Jahre gehörte er einer Miliz des Regimes an.

Prozess am Hanseatischen Oberlandesgericht: Der Angeklagte (3.v.r) wurde wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt Foto: dpa/Pool dpa | Marcus Brandt

Hamburg taz | Wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsverbrechen in mehreren Fällen, darunter Folter und Versklavung, verurteilte das Hanseatische Oberlandesgericht den 47 Jahre alten Syrer Ahmad H. am Mittwoch zu einer Haftstrafe von zehn Jahren ohne Bewährung. Es ging dabei um Taten, die H. zwischen 2012 und 2015 als Teil der Assad-treuen National Defence Forces (NDF) in Tadamon, einem Vorort von Damaskus, begangen hat.

Nach 37 Verhandlungstagen mit 25 Zeugen und zwei Sachverständigen sah es das Gericht als erwiesen an, dass Ahmad H. unter dem Spitznamen „Abu Trix“ als Teil der Shabia Miliz, einer Untergruppe der NDF, über drei Jahre hinweg Menschen zu Zwangsarbeit rekrutiert, ihnen Pässe und Handys abgenommen und sie überwacht hat, an Folter beteiligt war und sich durch Schutzgelderpressung bereichert hat.

Der Richter ordnete die Taten in der Urteilsbegründung in den Kontext des syrischen Bürgerkrieges ein. Er betonte die „systematische Terrorisierung der Zivilbevölkerung“ durch das Assad-Regime und die Situation im stark umkämpften Stadtteil Tadamon zwischen 2012 und 2015. Dieser hatte zuletzt 2022 internationale Aufmerksamkeit erfahren, als Videos von Massenerschießungen hunderter Zivilisten durch Angehörige der syrischen Armee und des Geheimdienstes im April 2013 veröffentlicht wurden.

Die Videos waren auch Teil der Beweisaufnahme. Dass der Angeklagte Ahmad H. an dem Massaker beteiligt gewesen sei oder davon gewusst habe, konnte das Gericht nicht feststellen. Allerdings betonte der Richter, dass H. eng mit Milizionären zusammengearbeitet habe, die nachweislich daran beteiligt waren.

Der Angeklagte beschwerte sich wiederholt über die Haftbedingungen in Deutschland

Zwischen 2012 und 2015 habe im vom Regime kontrollierten Norden Tadamons eine Gewaltherrschaft der NDF und ihr zugehöriger Milizen geherrscht, die „der brutalen Festigung der Macht durch Angst“ diente.

„Der Angeklagte war im Stadtteil wegen seiner Aggressivität gefürchtet“, sagte der vorsitzende Richter Norbert Sakuth. Das hätten viele der Zeugen, die im Prozess gehört wurden, erzählt. Ein Großteil von ihnen hatte selbst in Tadamon gelebt.

Gefunden hatte das Bundeskriminalamt (BKA) die Zeugen, die aus dem ganzen Bundesgebiet kamen, weil diese in ihren Asylanhörungen den Stadtteil Tadamon erwähnt hatten. Einige hatten aus Sorge um Angehörige in Syrien unter besonderen Schutzvorkehrungen im Gericht ausgesagt, zum Beispiel ohne ihren Namen und ihre persönlichen Daten zu nennen.

Wie ein Großteil der Zeugen war auch Ahmad H. als Geflüchteter aus Syrien nach Deutschland gekommen. Im Februar 2016 hatte er in Bremen erfolgreich Asyl beantragt, das bewilligt wurde. Bei einer Anhörung im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hatte er sich als Verfolgter des Assad-Regimes ausgegeben. Im Jahr 2020 hatte ihn dann ein Mann in einer Geflüchtetenunterkunft erkannt und auf seine Taten angesprochen. Daraufhin hatte der Angeklagte den Mann bedroht und versucht, dessen Angehörige in Syrien ausfindig zu machen. Chatprotokolle, aus denen das hervorgeht, waren Teil des Verfahrens.

Mit dem Hinweis auf die Identität von Ahmad H. hatte der Mann sich zuerst an die Nichtregierungsorganisation Syria Accountability and Justice Center (SAJC) gewandt. Die SAJC dokumentiert unter anderem Verfahren gegen Angehörige des syrischen Regimes. Nach einem Hinweis des SAJC nahm das BKA Ermittlungen auf und nahm Ahmad H. im Sommer 2023 fest. Ab diesem Zeitpunkt saß er in Untersuchungshaft.

Kein Geständnis, dafür Unterstellung von Falschaussagen

Das Urteil begründete der Richter am Mittwoch auch damit, dass Ahmad H. im Prozess kein Geständnis ablegte. Zwar räumte H. ein, Teil der NDF gewesen zu sein, behauptete aber, hauptsächlich für das Räumen von Straßen verantwortlich gewesen zu sein und vielen Menschen zur Flucht verholfen zu haben. Den zahlreichen Zeu­g:in­nen unterstellte er, falsche Aussagen gemacht zu haben.

Der Richter wies diese Behauptungen zurück. Zudem erwähnte er, dass der Mann sich wiederholt über die Haftbedingungen in Deutschland beschwert hatte. „Wenn wir hier über Haftbedingungen sprechen, sollten Sie mal an Ihre Mitmenschen in Syrien denken, die eingesperrt waren und schwere körperliche und psychische Schäden davon getragen haben“, sagte der Richter.

Dass der Fall ausgerechnet vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg verhandelt wurde, liegt daran, dass der Angeklagte zuletzt in Bremen gemeldet war. Nach dem sogenannten Weltrechtsprinzip können Straftaten, die gegen das Völkerrecht verstoßen, in jedem Land auf der Welt angeklagt und verhandelt werden. In der Bundesrepublik werden vergleichsweise viele völkerrechtliche Verfahren geführt. Zuständig für die Anklage ist die Generalbundesanwaltschaft.

Welchen Einfluss der Sturz des Diktators Bashar al-Assad Anfang Dezember auf die hiesige Strafverfolgung von syrischen Kriegsverbrechern hat, sei noch unklar, sagte eine Gerichtssprecherin. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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