piwik no script img

Hamburger AfDler zieht vor GerichtAn den Grenzen der Redefreiheit

Ein Hamburger AfD-Abgeordneter klagt vor dem Landes-Verfassungsgericht wegen zweier Ordnungsrufe. Die hatte er nach rassistischen Äußerungen erhalten.

Gestikuliert gern während der Sitzungen der Hamburgischen Bürgerschaft: AfD-Politiker Walczak Foto: Marcus Brandt/dpa

Hamburg taz | Es brauchte nicht viel Vorlauf, ehe der Hamburger AfD-Politiker Krzysztof Walczak in einer Rede in der Hamburger Bürgerschaft zu pöbeln begann: Als „Ober-Pinocchio“ bezeichnete er den CDU-Landeschef Dennis Thering, dessen Partei gar als „christdemokratische Schwindlertruppe“. Doch über diese persönlichen Angriffe, die eineinhalb Jahre zurückliegen, hatte am Freitag das Hamburgische Verfassungsgericht nicht zu verhandeln.

Stattdessen muss sich das Parlamentspräsidium um Carola Veit (SPD) und André Trepoll (CDU) rechtfertigen, dass sie Walczak während der Rede zwei Ordnungsrufe erteilten. Denn während sie diese Worte des AfD-Abgeordneten noch durchgehen ließen, griffen sie wenig später durch: Walczak sagte da, die CDU sei „mit ihrer Migrationspolitik für den Einlass Hunderttausender Antisemiten nach Deutschland verantwortlich“. Kurz darauf wiederholte er diese Aussage nochmal. Walczak sieht sich durch die Ordnungsrufe in seinem parlamentarischen Rederecht verletzt.

Seitdem die in Teilen rechtsextreme AfD in den Parlamenten sitzt, ist der Ton dort rauer geworden. Wo die Grenzen liegen, ist nicht immer klar. Entsprechend grundsätzlich ist die Frage, die am Freitag die Vorsitzende Richterin des Verfassungsgerichts aufwirft: „Wann ist eine Provokation Redemittel zur Vermittlung politischen Inhalts und wann eine Herabsetzung?“, stellte Birgit Voßkühler zwischendurch in den Raum.

Trepoll erklärte dem Gericht, die Aussage des AfD-Politikers sei eine „niederträchtige“ Pauschalisierung von Geflüchteten gewesen, weshalb er den ersten Ordnungsruf erteilt hatte. Grund für den zweiten Ordnungsruf sei dann gewesen, dass Walzcak die Migrationspolitik der CDU für antisemitischen Übergriffe in Deutschland verantwortlich machte.

Niederträchtige Pauschalisierung?

Walczak wiederum findet, das CDU-Präsidiumsmitglied Trepoll wollte mit den erteilten Ordnungsrufen lediglich die Kritik an der eigenen Partei unterbinden. Und pauschalisiert habe er bei seiner Aussage über die CDU-Migrationspolitik doch gar nicht – absichtlich habe er von „Hunderttausenden“ statt von pauschalisierenden „Millionen Antisemiten“ gesprochen.

Ein Ordnungsruf ist nach der Geschäftsordnung der Hamburgischen Bürgerschaft berechtigt, wenn ein Mitglied „die Ordnung des Hauses verletzt“. Doch war sie durch Walczaks Worte wirklich verletzt? Er verneint das, weil seine Worte dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprochen hätten: „Die Aussage könnte in der Spalte einer bürgerlichen Zeitung stehen.“ Das Parlamentspräsidium um Veit und Trepoll verneinten das vor Gericht: „Ich kann im Parlament nicht alles sagen, was ich auf der Straße oder in der Presse sage.“

Eineinhalb Stunden lang hörten sich die Rich­te­r*in­nen die Argumente beider Seiten an. Am 7. Februar wollen sie ihr Urteil verkünden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!