piwik no script img

Hamburg gegen HerthaDer Knurrer schnurrt

Der Hamburger SV sieht sich nach dem 2:1 gegen Hertha weiter eher als Punktesammler denn als Bayernjäger.

Die Hamburger feiern ihren Durchhaltewillen Bild: dpa

HAMBURG taz Es hätte gut wieder einmal einer dieser Siege sein können, nach denen Huub Stevens stocksauer ist. War er aber nicht. Der "Knurrer von Kerkrade" wurde nach dem Spiel zum Schnurrer, machte seinen HSV-Spielern Komplimente. Wie sie nach dem Ausgleich zurückgekommen sind, zeuge von Moral. "Hut ab", sagte er.

Hamburger SV - Hertha BSC 2:1 (1:0)

Hamburger SV: Rost - Boateng (68. Brecko), Reinhardt, Mathijsen, Atouba - Demel, Benjamin - Trochowski (62. Castelen), van der Vaart, Olic - Guerrero (67. Zidan)

Hertha BSC: Drobny - Chahed, Friedrich, von Bergen (84. Okoronkwo), Fathi - Ebert, Mineiro (84. Lustenberger), Simunic, Gilberto - Grahn (46. Piszczek) - Pantelic

Schiedsrichter: Merk (Otterbach) - Zuschauer: 56 493

Tore: 1:0 Guerrero (4.), 1:1 Ebert (59.), 2:1 Reinhardt (80.)

Beste Spieler: van der Vaart, Olic / Ebert, Pantelic

Dabei könnte man auch genau das Gegenteil hervorheben: Der HSV hatte eine desolate Hertha-Mannschaft eine Halbzeit lang an die Wand gespielt und hätte sie nach Juan Paolo Guerreros frühem Abstaubertor (4.) eigentlich im ersten Durchgang abschießen müssen. Aber dann trat wieder die alte HSV-Krankheit zu Tage, nach einem starken Beginn gleich zwei Gänge zurückzuschalten. Das begann in den letzten zehn Minuten der ersten Halbzeit und wurde spätestens nach der Pause akut.

Die Berliner ihrerseits hatten beschlossen, sich nicht ganz wehrlos zu ergeben. Für ein paar Minuten blitzte gar das von Trainer Lucien Favre favorisierte Kurzpassspiel auf. Der Ausgleich, den sich die in dieser Phase völlig passiven Hamburger redlich verdient hatten, gelang dem jungen Patrick Ebert, der seinen alten Berliner Freund Jerome Boateng böse aussteigen ließ und den Ball an den langen Innenpfosten knallte (59.).

Im Duell dieser beiden offenbart sich das ganze Drama der Hertha: Ebert, dessen Vertrag in der Vorwoche verlängert wurde, ist der letzte aus Herthas verlorener, besser: verscherbelter Generation, einer Clique von talentierten Jungprofis aus der eigenen Jugend, die das Hertha-Management systematisch vergrault hat, angeblich weil es ihnen an sozialen Kompetenzen mangelte. Nun schießt Ashkan Dejagah Tor um Tor für den VfL Wolfsburg, obwohl das gar nicht sein Job ist, und Jerome Boateng hat beim HSV einen Stammplatz ergattert. Am Samstag war ihm anzusehen, dass die Kränkung durch die Hertha noch an ihm nagt: Er wollte es ihnen richtig zeigen. Und eine Halbzeit lang gelang das auch: Er spielte defensiv souverän und fand noch Gelegenheit, gefährlich aufs Tor zu schießen. Aber er hatte vergessen, sich seine Kräfte einzuteilen, und brach fürchterlich ein.

Aber auch hier kein Vorwurf: Boateng sei, so Stevens, einfach fertig gewesen. Die gesamte Schwächeperiode des HSV verbuchte der Coach schlicht unter Kräfteverschleiß und nicht, wie so häufig, unter Leichtsinn. Dass er so vergleichsweise entspannt ist, hängt auch damit zusammen, dass er inzwischen darauf vertrauen kann, dass der HSV sich noch einmal aufbäumt und dann am Ende doch als Sieger vom Platz geht, in den vergangenen elf Spielen zehn Mal. Und wenn es der lange Innenverteidiger Bastian Reinhardt ist, der den Schädel hinhalten muss, um den Siegtreffer zu erzielen (80.).

Auf die Bayern angesprochen, die nun nur noch zwei Punkte Vorsprung vor dem HSV haben, sagte Stevens schmunzelnd: "Wir haben das Selbstvertrauen, dass uns hier zu Hause keiner schlagen kann, und das ist ein gutes Gefühl." Man sieht sich in Hamburg trotz des zweiten Tabellenplatzes eher als Punktesammler denn als Bayernjäger.

In Hamburg Fußball zu spielen, macht offenbar wieder Spaß - und das gilt auch für einen anderen Holländer: Nach dem Spiel rangen Fernsehreporter HSV-Schlüsselspieler Rafael van der Vaart ein denkwürdiges Statement ab. Der vom FC Valencia nach Roland Koemans Amtsantritt erneut heftig Umworbene sagte: "Valencia bleibt ein super Club, aber ich würde auch gern hier bleiben."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!