Hamas-Sprecher über Waffenstillstand: "Wir werden nicht wegrennen"
Die Hamas hat grundsätzlich kein Problem mit internationalen Beobachtern, sagt Achmad Jussuf, Sprecher der Hamas im Gazastreifen.
taz: Herr Jussuf, was halten Sie von dem französisch-ägyptischen Waffenstillstandsentwurf?
Achmad Jussuf: Die Hamas hat am Wochenende erneut Vertreter nach Kairo geschickt, um zu prüfen, ob man sich in den Punkten, in denen bislang keine Einigung erzielt wurde, näherkommen kann. Es geht dabei um den Einsatz internationaler Beobachtertruppen, die unsere Möglichkeiten des Widerstands einschränken könnten. Unsere Leute zögern, weil sie Sorge haben, der Waffenstillstand könnte nur darauf angelegt sein, die Besatzung zu verlängern. Alles was wir wollen, ist, in Gaza frei zu sein.
Sind Sie mit der Vermittlung Ägyptens zufrieden?
Es sind gewisse positive Ansätze erkennbar. Wir hoffen, dass Ägypten und auch die Türkei weitere Vorschläge einbringen werden, die das palästinensische Volk zufrieden stellen werden.
Wer verhandelt für die Hamas?
Es gibt eine Delegation mit Vertretern der Hamasführung im Gazastreifen und aus dem Exil.
Sie sprechen von einem legitimen Widerstand und Ihrer Sorge, dass die Möglichkeiten dazu eingeengt werden. Geht es nicht darum, den Widerstand zu beenden?
Ich wünschte, wir würden über Frieden reden. Aber hier geht es nur um einen Waffenstillstand. Solange die Besatzung andauert, werden wir auch den Widerstand fortsetzen.
Sie fordern offene Grenzen, verweigern aber gleichzeitig eine Kooperation mit den Israelis. Wie soll das gehen?
Die Grenzangelegenheit wird sich lösen lassen, sobald die Blockade endet. Die Tore müssen geöffnet werden, wir wollen nicht länger durch die Tunnel kriechen. Wir sind offen für jede friedliche Lösung.
Wenn Sie von Tunnel reden, dann meinen Sie damit, dass die Tore nach Ägypten geöffnet werden sollen?
Nach Ägypten und nach Israel. 80 Prozent unseres Warenverkehrs geht über Israel, wir sind abhängig. Ich wünschte, es wäre nicht so und der Übergang nach Ägypten würde reichen, aber dem ist leider nicht so.
Ich habe noch immer nicht verstanden, wie die Grenzen nach Israel geöffnet werden sollen, solange die Hamas eine Kooperation mit Israel ablehnt.
Die Hamas hat kein grundsätzliches Problem mit internationalen Beobachtern. Wir begrüßen die Europäer sehr, wenn sie sicherstellen, dass die Übergänge in Zukunft offenbleiben.
Sie sagen, dass sie über Frieden verhandeln wollen. Wären Sie dazu bereit, wenn Israel Verhandlungen anbietet?
Wir haben immer gesagt, dass wir zu Verhandlungen bereitsind, aber die Israelis haben niemals eine wirklich glaubwürdige Absicht signalisiert. Palästinenserpräsident Machmud Abbas verhandelt seit 15 Jahren, Sie sehen ja, was dabei herausgekommen ist. Die Hamas hat der PLO das Mandat gegeben, Friedensverhandlungen zu führen. Es ist nicht nötig, dass wir selbst dabei sind.
Ihre Kämpfer schießen aus Schulen und gefährden damit Zivilisten. Wie lässt sich das mit islamischen Werten vereinbaren?
Die islamischen Werte sagen uns, dass wir unter Besatzung stehen und uns dagegen verteidigen müssen, um unsere Würde zu waren. Der Islam schreibt uns nicht vor zu kapitulieren, im Gegenteil. Wir sollen siegen oder ehrenhaft sterben.
Sind Sie sich im Klaren darüber, dass das Blutvergießen der vergangenen zwei Wochen nicht passiert wäre, hätte die Hamas vorher keine Raketen auf Israel geschossen?
Wir haben 2005 unilateral die Raketen gestoppt, die Israelis haben das Morden fortgesetzt. Auch im Westjordanland, wo es keinen Widerstand mehr gibt, kommt es täglich zu Militäroperationen. Was im Gazastreifen stattfindet, ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Wir sind Opfer eines Völkermordes. Ich wünschte, die Welt würde endlich aufwachen und sagen: Genug ist genug. Wir verteidigen uns. Wir sind die Opfer. Hören Sie auf, die Opfer zu beschuldigen, sondern richten sie Ihre Anklage gegen den Aggressor.
Herr Jussuf, ich erreiche Sie zuhause, wo Sie weiter mit Ihrer Frau und Ihren Kindern leben. Was macht Sie so sicher, dass die israelische Armee die politische Hamas-Führung verschonen wird?
Wir haben keine Angst. Wir werden nicht wegrennen. Wir sind bereit, unser Leben zu opfern für eine Sache, von der wir überzeugt sind. Solange es eine Besatzung gibt, wird der Widerstand dagegen fortgesetzt werden.
INTERVIEW: SUSANNE KNAUL
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