Halbfinale der Rugby-WM: Englands Hoffnung heißt Eddie

Bei der Rugby-Wm trifft Außenseiter England auf Neuseeland. Chancenlos ist das britische Team aber nicht. Es hat schließlich Eddie Jones als Trainer.

Gilt als der Größte im englischen Rugby: Eddie Jones (mit Krawatte) Foto: Favila/ap

YOKOHAMA taz | Eddie Jones ist ein akribischer Planer. Bereits im Mai 2017, nach der Auslosung der WM-Gruppen in Kioto, muss ihm deshalb klar gewesen sein, dass diese Woche kommen würde. Diese Tage vor dem Halbfinale gegen die furchteinflößenden All Blacks aus Neuseeland, die es aus dem Weg zu räumen gilt, wenn man denn am 2. November in Yokohama Rugby-Weltmeister werden wollte. An Zufall konnte deshalb keiner glauben, als der nur 1,60 Meter große Australier am Dienstag überraschend zur Pressekonferenz einen bunten Strauß an Provokationen, Bonmots und Verschwörungstheorien im Gepäck hatte.

Die Neuseeländer hätten vom Balkon eines nahen Wohnblocks sein Training ausspioniert, so der Coach der englischen Natio­nalmannschaft. Jetzt sei es an der Zeit, dass den All Blacks mal jemand ein paar unbequeme Fragen stelle, denn die neuseeländischen Medien würden das nicht tun – das seien ja nur „Fans mit einer Tastatur“.

Bäng – da war es das mystische Duell: die Engländer in ihren unschuldigen weißen Shirts gegen die Vertreter der dunklen Macht in ihren legendären schwarzen Hemden, die sich jetzt schon unfairer Mittel bedienen mussten.

Wenn es gegen die legendären All Blacks geht, dann schwingt bei jeder Rugby-Na­tio­nalmannschaft die Wahrnehmung eines nahen Scheiterns gegen einen unbezwingbaren Gegner mit. Wir könnten gewinnen, sagt der Verstand, die All Blacks werden es wahrscheinlich wieder schaffen, sagt das Unterbewusstsein. 455 Siege in 588 Länderspiel stehen da über jeglichen Unfug und jeder Provokation. Und keiner weiß das besser als Eddie Jones.

Die mystischen All Blacks mit ihrem Haka

Deshalb galt es nun den Druck auf den Gegner zu erhöhen. Die Neuseeländer könnten nun zum dritten Mal Weltmeister werden, es würde der Abschied für ihren wohl besten Trainer aller Zeiten, Steve Hansen, sein, mithin auch Kapitän Kieran Read hätte einen gloriosen Abschied verdient und überhaupt, so Eddie Jones, sei Neuseeland sei die zweitbeliebteste Mannschaft der japanischen Rugby-Fans. „Für die Japaner sind die All Blacks mit dem Haka und allem, was dazugehört, genauso mystische Charaktere wie die Samurais.“ Von denen ­erwartet man den Sieg. „Dass wir gewinnen ­können, glaubt hier dagegen niemand.“

So makellos wie die Auftritte der Engländer bisher bei dieser WM auch waren – vor ihnen steht ein riesiger Berg an entmutigenden Statistiken. Neuseeland hat 18 WM-Spiele in Folge gewonnen. Gegen England traten sie bisher dreimal an – und gewannen jedes Mal.

Unvergessen dabei das Halbfinale 1995 in Südafrika, als Jonah Lomu vier Versuche legte und spätestens nach diesem Spiel zum ersten globalen Superstar des Rugby aufstieg. Doch was am schwersten wiegt: von den letzten 16 Länderspielen ­gegen die All Blacks konnten die „Roses“ nur eines gewinnen.

Da ist es gut, dass wenigstens ihr Trainer weiß, wie der schwarzen Übermacht bei ­einer WM beizukommen ist. 2003 war der 59-Jährige als Coach der Australier gegen Neuseeland ins ­Finale gegen England eingezogen. Sein Spieler Ben Darwin erinnerte sich später, dass die Vorbereitung auf diese ­Partie ein Meisterwerk gewesen sei: „Jeder wusste genau, was er in welcher Minute zu tun hatte.“

Eddie Jones war vor seiner Mission bei den Engländern ­Vizeweltmeister mit Australien, 2003, als Assistenzcoach Weltmeister mit Südafrika, 2007, und als Trainer von Japan Mastermind des „Wunders von Brighton“ gegen Südafrika 2015. Mit diesen Meriten hatte er ­seinen Job in England angetreten und gleich geliefert. Und England gewann 2016 unter anderem den Six Nations Grand Slam.

„Der studiert stundenlang Daten und Statistiken“

Doch darum ging es Jones nicht. Ziel war der WM-Titel. Und tatsächlich sind gerade Jones’ Weggefährten davon überzeugt, dass er den holen kann. Schalk Burger, 2004 bester Rugby-Spieler der Welt und in Frankreich ebenfalls Weltmeister, lobt beispielsweise: „Er studiert stundenlang Daten und Statistiken, kann aber am Ende immer eine einfache Nachricht übermitteln.“

Jones, der eine japanische Mutter hat, die während des Zweiten Weltkriegs in einem kalifornischen Internierungslager aufwuchs, und einen Vater, der für Australien sowohl im Zweiten Weltkrieg als auch in Vietnam gekämpft hatte, gilt als ebenso kompromisslos wie detailversessen.

Mit dem Spiel gegen Neu­seeland steht Jones vor dem letzten Baustein seines über vier Jahre entworfenen Team-Designs. Wie er sich das genau vorstellt, hatte Jones bereits im Januar 2017 verraten: „Das Finale heißt England gegen Neuseeland, England gewinnt mit einem Punkt Vorsprung. Es wird ein großartiges Spiel.“ Das ist nun das Halbfinale.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.