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Halb taub im Status quo: Wem vom Lärm die Ohren dröhnen, der kann in der Regel nur gegen neue Belastungen vorgehen  ■ Von Gernot Knödler

Bunte Karten bringen es an den Tag: Wo auf kleins-tem Raum gelb sich in rot, blau, lila und schliesslich grau verwandelt, lauert das Stiefkind unter den Umweltproblemen: der Lärm. Die Karten wurden von der Umweltbehörde für die Kerngebiete von Altona und Mitte sowie das Gebiet südlich vom Flughafen Fuhlsbüttel in Auftrag gegeben. Sie bilden die Grundlage für die Lärmminderungspläne, die das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) von den Kommunen fordert, und sie zeigen eines: Viele Hamburger müssen mit Lärmbelastungen leben, die von Ärzten als gesundheitsgefährdend angesehen werden.

Praktisch an allen Hauptverkehrsstraßen ist es zum Beispiel lauter, als es die Verkehrslärmschutzverord-nung erlaubt, wie Klaus Köhler von der Umweltbehörde bestätigt. Würden solche Straßen heute gebaut, dürften die Anwohner in Kern- und Mischgebieten mit nicht mehr als 64 Dezibel (dB(A)) belastet werden. Tatsächlich sind es zum Teil über 20 Dezibel mehr. Dabei entspricht eine Erhöhung des Schallpegels um drei Dezibel einer Verdoppelung der Schallintensität.

„Es gibt eine extreme Kluft zwischen bestehenden und neuen Belastungen“, sagt Köhler. Den Krach vorhandener Straßen oder Gleise müssen die AnwohnerInnen in der Regel hinnehmen. Wird dagegen eine Bahnlinie um ein Gleis erweitert oder fahren plötzlich doppelt so viele Pkws und Laster auf einer Straße, so müssen die für das Gebiet geltenden Immissionsrichtwerte berücksichtigt werden.

Damit genießt die Lärmquelle, über die sich die Deutschen am häufigsten beklagen (60 Prozent in West-, 85 Prozent in Ostdeutschland) einen Sonderstatus. Denn alle Anlagen, die unter die Technische Anleitung Lärm (TA Lärm) fallen, müssen die Richtwerte erfüllen, ganz gleich, wie alt sie sind. Außerdem sind die Richtwerte für die Konservenfabrik oder die Autowerkstatt im Hinterhof strenger als für den Verkehr.

Dürfen zum Beispiel in reinen Wohngebieten Autos und Bahnen die Anwohner tagsüber mit 59 und nachts bei 49 Dezibel beschallen, sind Betrieben lediglich 50 Dezibel tagsüber und 35 Dezibel nachts erlaubt. Zum Vergleich: Der Wald steht bei knapp 20 Dezibel still und schweiget, in einer Bibliothek werden unter 40 Dezibel gemessen, eine Unterhaltung lärmt mit 60 Dezibel, ein Büro mit 65, mittlerer Straßenverkehr mit 85, ein Presslufthammer mit 100 und ein startendes Düsenflugzeug aus 100 Metern Entfernung mit an die 130 Dezibel.

Je nachdem, ob ein Gebiet im Flächennutzungsplan der Stadt als Industrie-, Gewerbe-, Misch- oder Wohngebiet ausgewiesen ist, gelten andere Immissionsrichtwerte. Für deren Einhaltung hat die Verursacherin zu sorgen, also etwa der Bund, wenn er eine Straße baut, oder der Eigentümer der Firma. Vom Vermieter dagegen ist nach der Erfahrung des Vereins Mieter helfen Mietern (MhM) selten was zu holen. „Oft kann man eben nichts machen“, bedauert die MhM-Juristin Sabine Weis. Lediglich wenn eine nachträgliche Veränderung zu Lasten der Mieter eintrete, könne der Vermieter veranlasst werden, die Kosten etwa für den Einbau von Lärmschutzfenstern zu übernehmen. Meist würden die Kosten unter dem Rubrum „Modernisierung“ auf die Mieter umgelegt.

Schwierig wird es, wo ganz unterschiedliche Stadtgebiete aneinanderstoßen, zum Beispiel im Hamburger Hafen. „Die Traumhäuser in Övelgönne sind 500 Meter von einem Betrieb entfernt, wo Stahlkiste auf Stahlkiste gesetzt wird“, sagt Klaus Köhler. Als die Häuschen gebaut wurden, war das nicht abzusehen. Jetzt bemüht sich ein Beirat aus Vertretern der Hafenbetriebe, der Verwaltung und der Anwohner, den Lärm des Hafens zu dämpfen: Die Bremsen der Container-Transporter kamen ins Ölbad, die Stahlkisten selbst werden per Elektronik möglichst sanft aufeinandergesetzt.

Wenn allerdings, wie am Holzhafen, neue Wohnungen am Hafenrand entstehen sollen, ist laut Köhler der Staat in der Pflicht, durch Bauvorschriften für Schallschutz zu sorgen. Nach Angaben Köhlers hat der Senat inzwischen auch die ersten Gutachten für Lärmminderungspläne vergeben. Auf Grundlage der bunten Immissionspläne sollen sich die Gutachter überlegen, wie der Krach in Altona und dem südlichen Flughafenumfeld auf lange Sicht verringert werden kann.

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