Haftanstalten in Kuba: Prekäre Realitäten hinter Gittern
Mindestens vier Menschen, die in Kuba nach den Protesten 2021 verurteilt wurden, sind tot. Eine NGO kämpft für bessere Haftbedingungen.
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Die offizielle Todesursache lautet Selbstmord, Familienangehörige berichten von brutalen Schlägen von Gefängniswärtern, die zu seinem Tod geführt haben. Die in Mexiko ansässige Nichtregierungsorganisation Justicia 11J ist in Besitz von Fotos, die „Zeichen von Folter“ zeigten.
Guillén war 2021 bei den größten Massendemonstrationen seit mehreren Jahrzehnten festgenommen worden. In vielen Städten gingen Tausende Menschen gegen politische Unterdrückung, die Wirtschaftspolitik und den Kurs der sozialistischen Regierung in der Coronakrise auf die Straße.
Demonstrierende wurden von der kubanischen Polizei, teilweise von Spezialeinheiten, niedergeschlagen – zumindest punktuell überaus brutal, wie Videos dokumentieren. Offiziell ein Toter, aber auch mehrere Schussverletzungen zeugen davon, so Camila Rodríguez, Direktorin von Justicia 11J.
Fehlende medizinische Versorgung
Von den 1.586 im Anschluss an die Proteste vom 11. Juli inhaftierten Menschen, zu rund 90 Prozent Männer, sitzen 554 Haftstrafen von bis zu 20 Jahren ab. Angehörige klagen über extrem prekäre Bedingungen in den Zellen und eine weitgehend inexistente medizinische Versorgung hinter Gittern.
Die Nichtregierungsorganisation Justicia 11J gründete sich im Anschluss an die Proteste und dokumentiert Festnahmen im Rahmen dieser. Camila Rodríguez war damals selbst auf der Straße und begann mit einer Gruppe engagierter Frauen eine Excel-Datei mit den Daten der Festgenommenen zu erstellen.
Name, Alter, Adresse und der Ort, an dem die Personen in Gewahrsam kamen, notierten sie dort. Oft fügten sie Daten der Angehörigen dazu. Diese Datei, immer wieder durch Angaben von Angehörigen und später mit Informationen von den ersten Prozessen aktualisiert, wurde mit juristischen Organisationen wie Cubalex, aber auch mit Menschenrechtsorganisationen geteilt. Damit wurde Justicia 11J in den vergangenen Jahren zur zentralen Quelle von Menschenrechtsorganisationen auf der Insel.
Momentan arbeitet die Gruppe, in der fünf, teilweise sechs Frauen arbeiten, im Exil in Mexiko. „Die politische Polizei Kubas, die Staatssicherheit und das neue Strafgesetzbuch hatten uns die Arbeit auf der Insel verunmöglicht“, sagt Camila Rodrígue. Nun analysiert Justicia 11J die repressiven Strukturen, aber auch die Realität in den Vollzugsanstalten der Insel aus Mexiko.
Kuba weist UN-Organisationen ab
Die sind prekär. Fakt ist, dass keine internationale Organisation seit 1989 kubanische Gefängnisse von innen gesehen hat. Damals wurde einem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz letztmals Zugang gewährt. Seitdem sind mehrfach UN-Organisationen, zu denen Kuba generell gute Beziehungen unterhält, abgewiesen worden. Im Mai 2022 versicherte der Vizepräsident des UN-Ausschusses gegen Folter, Sébastian Touzé, dass Kuba derzeit die „weltweit höchste Gefangenenrate“ habe.
Fachpublikationen wie der „World Prison Brief“ gehen von 200 Haftanstalten auf der Insel aus, wo mindestens 90.000 Häftlinge untergebracht sind. Das sorgt für eine Quote von 794 Inhaftierten pro 100.000 Einwohnern. Nur in El Salvador sind es mit 1.086 mehr. Zum Vergleich: In Deutschland sind 153 Personen pro 100.000 Einwohnern inhaftiert.
Einer der über tausend politischen Gefangenen ist Luis Frómeta Compte. Der 61-jährige Deutschkubaner aus Dresden ist im „Combinado del Este“ inhaftiert und in dem Hochsicherheitsgefängnis bei Havanna mindestens einmal tätlich angegriffen worden. Dabei ist er mit einem scharfen Gegenstand an mehreren Stellen im Gesicht verletzt worden.
Seine beiden Töchter machen in Deutschland mit Demonstrationen vor der kubanischen Botschaft in Berlin, aber auch in ihrer Heimatstadt Dresden auf den Fall aufmerksam. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den kubanischen Präsidenten Miguel Díaz-Canel um die Freilassung des 61-Jährigen ersucht, auch das Außenministerium und die Botschaft vor Ort sind für den Kubaner mit deutschem Pass aktiv geworden.
Compte filmte die Proteste
Bisher erfolglos, denn für die kubanischen Behörden ist Compte vor allem Kubaner. Dabei hat er seit 1997 die deutsche Staatsbürgerschaft und war am 11. Juli 2021 nur zum Familienbesuch auf der Insel. Da filmte er wie viele andere auch mit seinem Handy die Proteste, wurde festgenommen und von der Polizei als Rädelsführer eingestuft. Vor Gericht wurde er zu einer 25-jährigen Haftstrafe wegen „Anstiftung zum Aufruhr“ verurteilt, die in der Revision auf 15 Jahre abgesenkt wurde. Die Familie von Luis Frómeta hofft auf eine politische Lösung mit seiner Ausweisung.
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