Häuslebauer beim Kredithai: Was ist Ihr Haustier wert?
Kathy Thedens ist eine von vielen: Sie konnte ihre Schulden nicht rechtzeitig tilgen und verliert nun vielleicht ihr Haus.
Als sie bei Punkt 8 des Fragebogens angekommen war, hielt Kathy Thedens die Welt nicht mehr aus. Ob sie "wertvolle Haustiere" habe, sollte sie dort ankreuzen, und wenn ja, wie wertvoll diese seien. Die anderen Punkte hatte sie noch kopfschüttelnd hingenommen. Ob sie Bargeld besitze und wo sich das befinde? Oder wertvolle Kleidungsstücke? Haushaltsvorräte? Aber ihre Labradorhündin würde sie nicht in diesen Fragebogen eintragen.
Das war im Februar vergangenen Jahres. Der Brief mit der Bitte um Selbstauskunft war die Nummer drei in einer Reihe von Briefen, die das Leben von Kathy Thedens auf den Kopf stellen sollten. Die 40-jährige Therapeutin aus Negernbötel in Schleswig-Holstein besitzt ein Miethaus mit acht Wohnungen.
Brief Nummer eins, datiert auf den 11. 12. 2006, kam von der Sparkasse Südholstein, Thedens Hausbank. "Die Sparkasse Südholstein hat sich entschieden, ein Portfolio notleidender Kredite an die LSF Irish Holdings V Limited, ein Unternehmen der Lone Star Funds, zum 11. 12. 2006 zu verkaufen", las sie da. Hierzu gehöre auch ihr Kreditverhältnis. Wenige Tage später erhielt sie Post von einer Firma mit Namen Hudson Advisors. Thedens las, dass sie nun verpflichtet sei, "den fälligen, noch ausstehenden Gesamtbetrag zurückzuführen", und zwar auf ein Konto der "Zehnten Westend GmbH". Sollte sie nicht zahlen, stand in fettgedruckten Buchstaben am Ende des Briefs, werden "automatisch persönliche und dingliche Vollstreckungsaufträge ausgelöst".
Lone Star? Zehnte Westend? Hudson Advisors? Kathy Thedens verstand nicht viel von dem, was sie da las. Aber ihr war klar, dass ihr Lebensprojekt auf der Kippe stand: der Bau einer Altenpension. Dabei stand die Finanzierung. Zwar war Thedens mit der Ratenzahlung in Verzug geraten, hatte sich aber mit der Sparkasse auf eine Stundung geeinigt und überwies kontinuierlich jeden Monat die Mieteinnahmen an die Bank. Ein übliches Verfahren. Nachdem auch die Stundung nicht vollständig gezahlt werden konnte, verkaufte die Sparkasse das Darlehen ein dreiviertel Jahr später. Ein bislang unübliches Verfahren, denn es hätte noch genügend Spielraum gegeben, sich mit der Schuldnerin ins Benehmen zu setzen.
Zu Beginn des Jahres 2007 wusste mit Ausnahme von Lone Star und seinen Partnern so gut wie niemand in Deutschland, dass eine Sparkasse ihre Kredite auch verkaufen kann. Zum Ende des Jahres ist die Frage, wie man Kreditnehmer hierzulande besser schützen kann, auch in der Politik angekommen. Daher gibt es nun einen entsprechenden Gesetzesvorschlag. Dazu hat auch Kathy Thedens beigetragen, die 2007 zur Fachfrau für Forderungsverkäufe wurde und ihren Fall publik machte.
Die Schockstarre, die Thedens zunächst überkam, währte nicht lang. Eine schlaflose Nacht lang suchte sie im Internet nach der Firma Lone Star. Sie fand eine Investmentfirma aus Texas, die ihr Geschäft mit dem Kauf von Schulden macht. Damit ist sie in Deutschland Marktführer. Wenn Lone Star ein Kreditpaket kauft, kostet das oft nur einen Bruchteil des eigentlichen Werts. Die Banken können die Risiken so aus ihren Büchern nehmen. Und vollstrecken lassen kann Lone Star auch günstiger als jede deutsche Bank oder Sparkasse. Den Kreditkäufern geht es statt um einvernehmliche Lösungen meist nur um die schnelle Rendite. Im Jahr 2003 haben Kreditinstitute in Deutschland begonnen, sich von Darlehen zu trennen. Auf 15 Milliarden Euro schätzt die Verbraucherzentrale das bisherige Geschäftsvolumen. In vielen Fällen haben es die Schuldner versäumt, Raten rechtzeitig zu bezahlen - aber längst nicht in allen. "Auch Leute, die jede Rate pünktlich bezahlt haben, sind vom Kreditverkauf betroffen", sagt Rechtsanwalt Julius Reiter.
Thedens recherchierte weiter. Sie wollte wissen: Wer hat meinen Kredit wirklich gekauft? Sie beschaffte sich einen Auszug aus dem Irischen Handelsregister. Und entdeckte: Der Kreditkäufer, LSF Irish Holdings V Limited" war gar keine Bank - und hatte nur einen einzigen Euro an Kapital hinterlegt. Thedens Diagnose: Briefkastenfirma.
Sie entschied sich, den Fragebogen mit den Haustieren nicht auszufüllen. Dann rief sie bei ihrer Lokalzeitung an. "Die Heuschrecken sind jetzt auch im Kreis Segeberg gelandet", schrieb am 7. Februar die Segeberger Zeitung und berichtete von 67 betroffenen Kunden des Sparkasse Südholstein.
Als sich nach und nach immer mehr Schuldner bei der Zeitung meldeten, gründete sie gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Christian Lutz eine Interessenvertretung, die IG Bank- und Sparkassenkunden (www.igbank.de). Die beiden Therapeuten, die eigentlich ein Projekt zur Sterbebegleitung aufbauen wollten, wurden zur Anlaufstelle für Kreditopfer.
Ihr erstes Ziel haben sie inzwischen erreicht: Der Schutz der Kreditnehmer dürfte 2008 vom Bundestag neu geregelt werden. Verbraucherschützer fordern, dass Kredite nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Kreditnehmer verkauft werden dürfen.
Für Kathy Thedens könnte das neue Gesetz zu spät kommen. Ihr Haus steht seit November unter Zwangsverwaltung. Die Versteigerung will sie so lange wie möglich aufhalten. Eine Klage dagegen ist vor Gericht anhängig. Sie glaubt, dass die Zeit für sie läuft: "Je mehr Menschen von diesen Geschäften erfahren, desto schwerer wird es den Heuschrecken fallen, sich durchzusetzen."
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