Häuser für Flüchtlinge: Leicht bauen ist ziemlich schwer
Mit bis zu 30.000 einfachen Wohnungen wollte der Senat möglichst schnell Unterkünfte schaffen. Nun zeigt sich: Das wird länger dauern als geplant.
Der Bau der sogenannten Modularen Unterkünfte für Flüchtlinge (MUF) wird sich deutlich verzögern: Von den 60 dafür nötigen Standorten ist bisher nur ein Teil gefunden. Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) hatte zuletzt von der Fertigstellung von bis zu 30.000 Wohnplätzen im kommenden Jahr gesprochen. Finanzstaatssekretärin Margaretha Sudhof (SPD) sagte dagegen bei einer Pressekonferenz am Dienstag, sie rechne mit der Fertigstellung der ersten Unterkunft „vor dem nächsten Winter“. 51 Grundstücke seien zwar bislang als grundsätzlich – also von Größe und Lage her – geeignet befunden worden. Doch bis zu deren Bebauung sind noch zahlreiche Probleme zu klären, betonte Sudhof.
An den Standorten sollen Unterkünfte für jeweils bis zu 500 Menschen entstehen. Die in modularer Bauweise errichteten Gebäude sollen zunächst als Gemeinschaftsunterkünfte genutzt und später zumindest teilweise mit niedrigem Aufwand zu Wohnungen umgebaut werden. Diese sollen dann nicht nur Flüchtlingen, sondern allen Wohnungssuchenden zur Verfügung stehen.
Viel Klärungsbedarf
Doch von den 51 Grundstücken, die eine im September eingerichtete Arbeitsgruppe zur Standortsuche als grundsätzlich geeignet identifiziert hat, gibt es in 16 Fällen noch „politischen Klärungsbedarf“: zum Beispiel mit den Bezirken, in deren Besitz sich die meisten der geprüften Grundstücke befinden. In anderen Fällen sind Fragen des Naturschutzes oder bestehender Bebauungspläne zu klären. In vier Fällen steht schon fest, dass dort zwar temporär bewohnte Flüchtlingsunterkünfte gebaut werden, diese aber aus baurechtlichen Gründen später nicht in Wohnungen verwandelt werden können. Das hält Staatssekretärin Sudhof nach derzeitigem Informationsstand der Arbeitsgruppe nur in „etwa einem Drittel“ der Fälle für möglich. Denn das Baurecht erlaubt Flüchtlingsunterkünfte auch an Orten, an denen Wohnungsbau nicht genehmigt wird.
Die Arbeitsgruppe, die gegründet wurde, weil die hohen Flüchtlingszahlen das Land nicht nur vor akute Unterbringungsprobleme stellen, sondern auch langfristig den Bau neuer Wohnungen erfordern, hat insgesamt 5.514 Grundstücke angeboten bekommen. Die gehören zu gut drei Vierteln den Bezirken, 680 der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) und 488 der landeseigenen Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM).
Knapp 200 sind im Besitz landeseigener Unternehmen oder privater EigentümerInnen. 92 Prozent hat die Arbeitsgruppe sofort als ungeeignet ausschließen können: Sie seien zu klein, bebaut, planungsrechtlich nicht geeignet oder für andere Zwecke vorgesehen. In anderen Fällen behindern Denkmal- oder Naturschutz, nötiger Abriss alter Bebauung oder bestehende Bebauungspläne schnellen Neubau. So muss etwa auch der Abriss alter Bauten europaweit ausgeschrieben werden.
Lebt da eine Eidechse?
„Und lebt die Zauneidechse auf dem Gelände, können wir erst im Sommer prüfen, ob Bebauung möglich ist“, sagte Petra Hildebrandt, Geschäftsführerin der Wohnbauten- und Beteiligungsgesellschaft, einer Tochter der städtischen Wohnungsgesellschaft Stadt und Land, und Leiterin der Arbeitsgruppe. Denn die Echse halte derzeit Winterschlaf.
Die meisten der potenziellen Bauorte befinden sich in Buch, Hohenschönhausen, Spandau und Marzahn. Als Baukosten für die drei- bis fünfgeschossigen Gebäude nannte Sudhofff 2.000 bis 2.500 Euro pro Quadratmeter. Es sollen standardisierte Entwürfe aus Fertigbauteilen umgesetzt werden. „Bodentiefe Fenster wird es nicht geben“, so die Staatssekretärin. Spätere Mieten verortete sie im „unteren Preissegment“. Dies ließe sich jedoch nicht auf Jahre voraussagen. Bausenator Geisel will in die Neubauten mehr als 600 Millionen Euro investieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus