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Häufiger Demokratie wagenBremen bleibt bei vier Jahren

Bremer*innen haben am Sonntag per Volksentscheid dafür gesorgt, dass ihr Landtag weiterhin alle vier Jahre neu gewählt wird

Diese Bremer: Gehen kaum hin, wenn Wahlen sind, wollen es aber dafür öfter dürfen

BREMEN taz | Bremen bleibt das einzige Bundesland, in dem alle vier Jahre eine neue Landesregierung gewählt wird. Beim Volksentscheid, der zeitgleich am Sonntag mit den Bundestagswahlen stattfand, stimmten 51,58 Prozent der Bremer Wähler*innen gegen den Vorschlag, die Legislaturperiode auf fünf Jahre zu verlängern. Hätten nur die Bremerhavener*innen abstimmen dürfen, wäre das Ergebnis anders ausgefallen: In der kleineren Gemeinde waren 51,52 Prozent dafür, in der Stadt Bremen hingegen nur 47,85 Prozent.

Aus der Analyse der Ergebnisse auf Stadtteilebene lässt sich kein Muster ablesen, wonach etwa ärmere oder reichere Bremer*innen für oder gegen die fünf Jahre gestimmt hätten. Auch die Parteipräferenz scheint keine Rolle zu spielen. So hatte sich zwar die Linke als einzige Partei im Bremer Wahlkampf zu dem Thema positioniert: Sie wollte die vier Jahre behalten. Und in den Stadtteilen, in denen die Linke jetzt bei der Bundestagswahl besonders gut abgeschnitten hatte, gab es überdurchschnittlich viele Stimmen gegen die Verlängerung. Aber: Letzteres trifft auch für den Stadtteil Seehausen zu, in dem die Linke so wenig Stimmen bekam wie in keinem anderen.

Das könnte darauf hindeuten, dass die Bremer*innen ihre Kreuzchen eher willkürlich verteiltet haben, weil sie von dem Thema keine Ahnung hatten. Denn im Vorfeld des Volksentscheids hatte es in Bremen so gut wie keine öffentliche Debatte darüber gegeben. Die Parteien hatten – abgesehen von der Linken – nicht einmal Plakate aufgehängt. Man wolle die Entscheidung dem Souverän, also dem Bürger und der Bürgerin überlassen, hatten die Grünen und die CDU wenige Tage vor der Wahl der taz gesagt. Und die SPD, die immerhin eine klare Pro-Verlängerung-Position vertritt, fand, dass die Bundestagswahl das wichtigere Thema sei, wie der SPD-Landesgeschäftsführer der taz mitgeteilt hatte.

Mangels öffentlichem Diskurs hatte die Hälfte der Bremer*innen offenbar überhaupt keine Ahnung, dass überhaupt abgestimmt werden sollte, wie eine Umfrage des Weser-Kurier ergeben hatte – und das, obwohl in der Wahlbenachrichtigung gemeinsam mit dem Muster-Stimmzettel auch eine Broschüre mitgeschickt worden war, die die Argumente pro und contra Verlängerung der Legislaturperiode aufgelistet hatte.

Diese handliche Broschüre fehlte dann am Wahltag. Dort fanden die Wähler*innen nur ein eng bedrucktes gelbes Blatt Papier vor, auf dem oben zwei Kreuzchen gemacht werden konnten. „Stimmen Sie dem nachfolgend abgedruckten Gesetzentwurf der Bürgerschaft ‚Verlängerung der Wahlperiode der Bremischen Bürgerschaft‘ zu“ – „Ja“/„Nein“?

Doch wer herausfinden wollte, was dieser Gesetzentwurf beinhaltet und um wie viele Jahre die Wahlperiode verlängert werden soll, der musste sich durchs Kleingegedruckte wurschteln und entdeckte mit Glück die beiden allerletzten Sätze auf der Seite: „Mit einem Kreuz bei ‚Ja‘ wird der Verlängerung der Legislaturperiode um ein Jahr auf fünf Jahre zugestimmt. Ein Kreuz bei ‚Nein‘ führt zur Ablehnung des Gesetzentwurfs und einer Beibehaltung der Wahlperiode über vier Jahre.“

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4 Kommentare

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  • Das ist ja sagenhaft! Alle vier Jahre!

    sehr schön

    nzuli sana!

  • Beim Volksentscheid über den Vorschlag, die Legislaturperiode der Bremischen Bürgerschaft auf fünf Jahre zu verlängern, stimmten 51,58% der Bremer Wähler*innen dagegen und keiner weiß, warum. Dasselbe gilt auch für die etwa gleich große Gruppe der Befürworter. Eiken Bruhn vermutet, „dass die Bremer*innen ihre Kreuzchen eher willkürlich verteilt haben, weil sie von dem Thema keine Ahnung hatten.“Das sehe ich auch so. Wenn es nur das wäre, wäre das schon schlimm genug. Aber offenbar haben auch nur sehr wenige Bremer* eine Ahnung von dem Wahlsystem, nach dem sie den neuen Bundestag gewählt haben. Auffällt: Der Unterschied zwischen Erststimmen und Zweitstimmen ist durchweg sehr gering: SPD: 30,98%/26,02%; CDU: 24,36%/24,98%; Grüne: 10,74%/11,63%; Die Linke: 12,17%/13,85%; AfD: 9,01%/9,59%; FDP: 9,64%/9,63%. Zur Erinnerung: prinzipiell verfallen alle Erststimmen, die nicht dem siegreichen Direktkandidaten* zugutekommen. Erfolgreich war in Bremen Sara Ryglewski (SPD). Wer seine Erststimme Elisabeth Motschmann (CDU) gab, konnte immerhin davon ausgehen, dass sie mit viel Glück sich gegenüber Sara Ryglewski durchsetzt, vor allem dann, wenn sich viele Wähler der kleineren Parteien dazu durchgerungen hätten, ihr ihre Erststimme zu geben. Aber was hat sich wohl jemand dabei gedacht, den Kandidaten der Grünen, Linken, AfD oder FDP seine Erststimme zu geben, obwohl diese Stimme mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,9% verfallen wird? Aus Solidarität? Vielleicht. Wohl eher aus Gedankenlosigkeit. Offenbar kennen nur sehr wenige Bürger den Unterschied zwischen Mehrheitswahlrecht und Verhältniswahlrecht. Schule, Hochschule, Parteien, Landeszentrale für Politische Bildung, Wahlamt und Medien waren nicht in der Lage, Bremens Bürgern den Unterschied zwischen Mehrheitswahlrecht und Verhältniswahlrecht darzulegen. Dafür wüsste ich gerne den Grund.

    Martin Korol, Bremen

    • @Martin Korol:

      Genau was fällt diesen Stümpern von Direktkandidaten von Linke, Grüne, FDP, AfD, vielleicht sogar die Partei, Tierschutzpartei ein, die Bürger mit ihrer Aussichtslosen Kandidatur zu verwirren, wo es doch eh nur SPD und CDU Kandidaten gestattet sein sollte sich auf zu stellen. Einsperren sollte man die Kandidaten wegen arglistiger Wählertäuschung.

      • @Sascha:

        Hallo lieber Sascha, kann es sein, dass auch Sie nicht das Wahlsystem und auch nicht meine Hinweise dazu verstanden haben? Allein, ich jedenfalls kann es nicht noch klarer sagen.

        M.K.