: Härterer Kampf oder Realitätsverlust?
■ Am gestrigen sechsten Streiktag kündigte die IG BAU an, den Ausstand auszuweiten. Doch von Spaltung im Arbeitgeberlager kann bisher keine Rede sein. Solidaritätskundgebung am Wittenbergplatz
Die Lage beim Streik der Bauarbeiter wird immer unübersichtlicher. Zwar kündigte die IG BAU am gestrigen sechsten Streiktag an, den Ausstand auszuweiten. Das ebenfalls über die Gewerkschaft verbreitete Angebot des Zentralverbands Deutscher Bauunternehmen (ZDB), Betriebe der bestreikten Fachgemeinschaft Bau abzuwerben, steht freilich noch in den Sternen.
Wie berichtet, fordert die IG BAU die aus dem ZDB ausgetretene Fachgemeinschaft Bau auf, den bundesweit abgeschlossenen Tarifvertrag samt Lohnfortzahlung und Schlechtwettergeld zu akzeptieren. Dabei setzen die Gewerkschafter ganz auf den wirtschaftlichen Druck des Streiks. „Der ZDB wird die Betriebe aufnehmen, die die Fachgemeinschaft verlassen werden“, sagte gestern IG-BAU-Sprecher Vorbrüggen. Zwar sei noch nicht quantifizierbar, wie viele Betriebe bereit seien, überzulaufen und damit den bundesweiten Tarifvertrag zu übernehmen. Doch es handele sich dabei eindeutig um einen „Trend“.
Während der ZDB gestern erklärte, gar keine Betriebe, sondern nur Arbeitgeberverbände aufnehmen zu können, wurde IG-BAU- Chef Klaus Pankau konkreter: Der Bauhandwerkerverband Brandenburg wolle noch diese Woche darüber entscheiden, auch in Berlin tätig zu werden. „Dann“, so Pankau, „wäre der ZDB mit einem originären Verband in Berlin vertreten.“
Der Optimismus der Baugewerkschaft wurde freilich vom Bauhandwerkerverband selbst gebremst. „Selbst wenn wir uns auf Berlin ausdehnen wollten“, sagte Geschäftsführer Frank Duif, müßten zunächst der Vorstand und dann die Mitgliederbetriebe über die nötige Satzungsänderung beschließen. „Das geht nicht von heute auf morgen“, so Duif.
Für den Sprecher der bestreikten Fachgemeinschaft, Norbert Nickel, hat die Zurückhaltung von Duif einen konkreten Grund: „Warum soll da einer überlaufen?“ Der Austritt aus dem Arbeitgeberverband sei schließlich ohne Gegenstimme erfolgt, der Streik damit zumindest in Kauf genommen worden. Daß sich die Arbeitgeber wenig vom Streik beeindrucken ließen, zeigt sich nach Ansicht Nickels auch darin, daß bislang erst zwei Baubetriebe die von der Gewerkschaft angebotenen Haustarifverträge unterschrieben hätten.
Während Nickel vom „Realitätsverlust“ der Gewerkschaft spricht, haben die streikenden Bauleute gezeigt, welche Räder sie zum Stillstand bringen können: Auf der Baustelle des Wirtschaftsministeriums in der Scharnhorststraße haben sie nicht nur die Telefonleitungen gekappt, sondern auch einen Bauleiter eingespert und einem anderen Mitarbeiter, der das Geschehen fotografierte, den Film aus der Kamera gezogen. Grund für den Unmut: Auf der Baustelle arbeitet die Firma von Kaspar Freymuth, dem Präsidenten der Fachgemeinschaft Bau.
Heute findet um 16 Uhr auf dem Wittenbergplatz eine Solidaritätskundgebung für die streikenden Bauarbeiter statt. Uwe Rada
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