HSV besiegt Hoffenheim: Der Fisch flutscht vom Haken
Kurzzeitig zusammengeraufte Hamburger Individualisten gewinnen zwar 2:1 gegen die TSG Hoffenheim. Der Sieg könnte sich bald als vergiftetes Geschenk entpuppen.
HAMBURG taz | Wofür haben wir denn Latein gelernt: "Timeo Danaos et dona ferentes", heißt es in Vergils Aeneis. Ich fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke bringen. Weil die nämlich Schaden bringen - die Geschenke der Danaer. Und so könnte es auch mit dem von der TSG Hoffenheim dem Hamburger SV geschenkten 2:1-Sieg sein.
Beim HSV steht vor den im Januar anstehenden Wahlen zum Aufsichtsrat der Vorstandsvorsitzende Bernd Hoffmann in der Kritik. Eine Opposition, die Hoffmanns Vertrag nicht verlängert sehen will, verweist auf die Defizite seiner Arbeit. Diese Defizite konnten in der ersten Halbzeit gegen die TSG Hoffenheim so offen wie selten zuvor von 54.200 Zuschauern im Volksparkstadion besichtigt werden.
Hoffenheim hatte die bessere Spielanlage. Die TSG spielte schneller, geordneter, hatte einen Plan, gewann Zweikämpfe, ließ dem HSV keinen Platz. Ein Klassenunterschied, der im knappen 1:0 durch einen von Sejad Salihovic verwandelten Foulelfmeter nicht zum Ausdruck kam. Die TSG vergab weitere Chancen, sie hatte den Fisch am Haken, aber er blieb im Wasser.
Hamburger SV: Drobny - Demel, Westermann, Mathijsen, Zé Roberto - Jarolim, Kacar (80. Rincón) - Pitroipa (74. Son), Trochowski, Guerrero - Petric
1899 Hoffenheim: Haas - Beck, Vorsah, Compper, Luiz Gustavo - Rudy - Weis (85. Ibisevic), Salihovic - Mlapa (81. Sigurdsson), Obasi (64. Vukcevic), Ba
Zuschauer: 54.162
Tore: 0:1 Salihovic (6./Foulelfmeter), 1:1 Westermann (45.), 2:1 Petric (83.)
Beim HSV, den Trainer Armin Veh 4:3:3 und damit so offensiv wie selten spielen ließ, passte nichts zusammen. Da die Spielverlangsamer David Jarolim, Zé Roberto und Piotr Trochowski, dort der Turbo Jonathan Pitroipa, der Kämpfer Paolo Guerrero und schließlich der unsichtbare Virtuose Mladen Petric. Kein Ganzes, nur Teile. Die HSV-Fans pfiffen und schimpften, weil die Rothosen von den Spielern vorgeführt wurden.
Dann kam die letzte Minute der ersten Halbzeit. HSV-Rechtsverteidiger Guy Demel flankte, der angeschlagene Stürmer Mladen Petric brachte den Ball artistisch nach innen, und der Innenverteidiger Heiko Westermann beförderte ihn ins Tor. Es war die einzige gute Aktion des HSV in 45 Minuten. Und die Wende.
"Das 1:1 war der Knackpunkt", nickte David Jarolim nach dem Spiel, "in der Kabine haben wir uns gesagt: Das schaffen wir." Dazu gehört was, angesichts des in der ersten Halbzeit aufgetretenen Klassenunterschieds.
In der zweiten Halbzeit war es "ein gutes Spiel", meinte Veh. Der HSV kämpfte. Der HSV spielte - mit ein paar Ausnahmen - hervorragend, arbeitete sich Chancen heraus, die Fans waren begeistert. "Wir haben nicht aufgegeben", sagte Veh. In der 84. Minute ein Angriff über die Seite, auf der TSG-Außenverteidiger Andreas Beck immer größere Schwierigkeiten hatte: Zé Roberto hinterlief Beck und flankte, der geschubste Petric köpfte den Ball ins Tor. Ein Artist und sein Kunststück. "Den macht auch nicht jeder", knurrte Veh ein Lob. Er will die Leistung der zweiten Halbzeit mal über ein ganzes Spiel sehen - und über mehrere Spiele hintereinander.
So aber ist der Diskussion um Hoffmann vorerst der Boden entzogen, weil die Individualisten beim HSV sich mal zusammengerauft haben. Vor allem aber, weil die Hoffenheimer ein Geschenk in Hamburg zurückgelassen haben.
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