: HRW: Ukraine setzte Streumunition ein
UKRAINE Laut Human Rights Watch sind bei Angriffen auf Donezk Anfang Oktober die geächteten Waffen verwendet worden
VON BARBARA OERTEL
BERLIN taz | Die ukrainische Armee soll im Krieg gegen die prorussischen Kämpfer im Osten des Landes wiederholt international geächtete Streubomben abgefeuert haben. Dies geht aus einem Bericht hervor, den die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) in der Nacht zu Dienstag veröffentlichte und der auf gemeinsamen Recherchen mit der New York Times basiert.
Die Untersuchung listet zwölf Vorfälle auf, bei denen insgesamt sechs Menschen getötet und Dutzende verletzt wurden. Dabei dürfte, so HRW, die Opferzahl wesentlich höher liegen, es hätten jedoch nicht alle Vorfälle untersucht werden können. Am 2. und 5. Oktober griffen ukrainische Regierungstruppen das Stadtzentrum von Donezk an. Dabei kam auch ein Schweizer Mitarbeiter des Internationalen Roten Kreuzes ums Leben, vermutlich durch Streumunition.
Zwar habe eine Untersuchung keine abschließenden Ergebnisse hinsichtlich der genauen Todesursache erbracht. HRW habe jedoch zwei Krater dokumentiert, die eindeutig von der explodierenden Munition von Streubomben verursacht wurden. Die Leiche des Rotkreuz-Mitarbeiters sei zwischen diesen beiden Kratern gefunden worden, heißt es in dem Bericht.
Auch wenn HRW eindeutig den ukrainischen Regierungstruppen die Verantwortung für mehrere Einsätze von Streubomben in und um Donezk zuweist, hält es HRW durchaus für möglich, dass sich auch die prorussischen Kämpfer dieser Waffen bedient haben. Die Schwierigkeit sei, dass sich bei vielen Angriffen nicht eindeutig feststellen lasse, wer die Streubomben abgefeuert habe. „Es schockierend, dass Waffen, die die meisten Staaten geächtet haben, in einem so großen Ausmaß in der Ostukraine eingesetzt werden“, zitiert der HRW-Bericht Mark Hiznaym, einen Forschungsleiter der Organisation. „Die Ukraine sollte sich sofort dazu verpflichten, keine Cluster-Munition mehr einzusetzen und der Streubombenkonvention beizutreten.“ Diese haben die Ukraine, wie auch die USA und Russland, bislang nicht unterzeichnet.
Die ukrainische Armee wies die von HRW erhobenen Vorwürfe am Dienstag zurück. Die Regierungstruppen hätten bei ihrer „Anti-Terror-Operation“ kein einziges Mal Streubomben eingesetzt, weil diese Waffen verboten seien, sagte der Militärpressesprecher Wladislaw Selesnjow laut der Internetausgabe der ukrainischen Zeitung Zerkalo Nedeli. Er betonte, dass das Ziel der Militäroperation die prorussischen Kämpfer seien und daher auf Zivilisten nicht geschossen werde.
Unterdessen berichtete der Stadtrat von Donezk erneut von Schüssen, Angaben über Opfer lagen aber nicht vor. Den Separatisten zufolge wurden in Donezk innerhalb von 24 Stunden mindestens zwölf Menschen getötet, darunter sieben Zivilisten. Der Sicherheitsrat in Kiew teilte mit, vier Soldaten seien bei Kämpfen verletzt worden. Seit über einem Monat gilt in den umkämpften Gebieten des Donbass eine Waffenruhe. Dennoch kommt es immer wieder zu Gefechten. So sollen unbestätigten Berichten zufolge in der vergangenen Woche mindestens fünfzehn Zivilisten bei Kämpfen ums Leben gekommen sein.