HRE-Großinvestor Flowers: Zocken, bis die Merkel kommt
Die Experten drängen bei der HRE-Rettung auf eine schnelle Einigung. Investor Flowers zeigt sich vor dem Finanzausschuss kämpferisch. Über den Versuch, sehr, sehr viel Geld zu retten.
Bis zum 3. April sollen Bundestag und Bundesrat das "Finanzmarktstabilisierungsänderungsgesetz" verabschieden, das als letztes Mittel auch eine Enteignung der HRE-Eigentümer ermöglicht. Dafür müsste allerdings noch eine gesonderte Rechtsverordnung vom Kabinett verabschiedet werden. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) würde jedoch lieber weniger drastische Mittel ergreifen. So sieht das neue Gesetz auch Vereinfachungen vor, um auf einer außerordentlichen Hauptversammlung eine Kapitalerhöhung durchsetzen zu können, bei der nur der Bund Aktien erwirbt. Nach dem neuen Gesetz kann zu einer solchen Rettungshauptversammlung mit der Frist von nur einem Tag eingeladen werden. Sie dürfte also noch in der ersten Hälfte des April stattfinden. Zudem könnte die Regierung den Alteigentümern auch ein Übernahmeangebot machen. Die Regierung strebt den Besitz von mehr als 90 Prozent der HRE-Aktien an. Wenn die Alteigentümer nicht einlenken, kann die Regierung die Bank bis Ende Juni durch Enteignung verstaatlichen. UH
Christopher Flowers ist erstaunt. Ein bisschen steif steht er vor dem Tisch mit dem Mikrofon darauf. Die Gläser der runden Hornbrille lassen die Augen noch größer erscheinen, als sie sind. Der Blick des 51-jährigen Investors schweift über die Kamerateams, die sich zu Dutzenden um ihn herumdrängeln. Er versucht es mit amerikanischer Lässigkeit, sagt: "Hi, nice to meet you", und lächelt gewollt.
Damit, dass er einmal in diese Situationen kommen könnte, hat Flowers nicht gerechnet. Nicht nur war er am Montag gezwungen, die Deckung zu verlassen und in aller Öffentlichkeit vor dem Finanzausschuss des Bundestags sein Tun zu erklären. Auch dass ihm das deutsche Parlament die Enteignung seines Besitzes an der Münchner Bank Hypo Real Estate androht, ist eine neue Erfahrung. Beschließt der Bundestag das Gesetz, könnte J. Christopher Flowers, Chef der gleichnamigen Investmentfirma von der Fifth Avenue in New York City, der erste Bankeigentümer seit ziemlich langer Zeit sein, der in einem kapitalistischen Land enteignet wird.
Verantwortlich dafür ist nicht der Investor selbst, sondern der frühere Vorstand der HRE. Durch die Fehlspekulationen einer irischen Tochterfirma hat die Hypo Real Estate gigantische Verluste erwirtschaftet. Banken und Bundesregierung haben das marode Institut deshalb mit bislang 102 Milliarden Euro unterstützt, um seine Insolvenz und den befürchteten Zusammenbruch des bundesdeutschen Finanzsystems zu verhindern.
Angesichts derartiger Summen öffentlichen Geldes will Bundesfinanzminister Steinbrück (SPD) in der Bank nun das alleinige Sagen haben. Als letzte Konsequenz sieht das "Gesetz zur weiteren Stabilisierung des Finanzmarktes" daher die Enteignung widerspenstiger Aktionäre vor. Die Unionsspitze hat notgedrungen zugestimmt. Vor allem bei der FDP gibt es aber massive Kritik an dieser Form der Staatsintervention. Die Anhörung zum Gesetz am Montag im Finanzausschuss nutzen manche Abgeordnete, um einen letzten Versuch der Entschärfung zu unternehmen.
Und Christopher Flowers kämpfte für sein Geld. Im Sommer vergangenen Jahres hatte er 24,9 Prozent der damals schon angeschlagenen HRE gekauft. Der Anteil kostete ihn und seine Geldgeber rund 1,1 Milliarden Euro. Heute wäre dieses Paket nur etwa 40 Millionen Euro wert. Ungefähr diese Summe würde der Investor als Entschädigung erhalten, sollte es zur Enteignung kommen.
Mit der Enteignung wäre sein Verlust unumkehrbar. Deshalb will der Investor seine HRE-Aktien unbedingt behalten. Denn er hofft: "Es gibt die Perspektive einer langfristigen Erholung."
Das bestritt Hannes Rehm nicht. Der Chef der Soffin, der Bundesanstalt für Bankenrettung, bezeichnete Flowers Versuche, weiter mitzumischen, dennoch als "Trittbrettfahrerei". In dieser Einschätzung war Rehm sich mit Bundesbank-Vorstand Axel Weber einig. Der stellte die Frage, ob die Münchner Bank denn heute überhaupt noch einen "positiven Unternehmenswert" aufweise. Mit anderen Worten: Ohne die riesigen öffentlichen Investitionen hätten die Anteile von Investor Flowers schon jeglichen Wert verloren. Aus einer derart schwachen Position heraus, so erklärten auch andere Gutachter, könne Flowers nicht den Anspruch auf weitere Beteiligung ableiten.
Früher war der Investor erfolgreicher. Der Absolvent der Eliteuniversität Harvard leitete schon im Alter von 28 Jahren die Abteilung für Unternehmensverkäufe der Investmentbank Goldman Sachs. Nachdem er dort mit 31 Jahren zum Partner aufgestiegen war, gründete er seine eigene Investmentfirma und spezialisierte sich auf den Kauf angeschlagener Banken. Die marode Long Term Credit Bank of Japan konnte er sanieren. Doch in jüngster Zeit fehlt ihm das Glück. In Deutschland ist er auch an der strauchelnden HSH-Nordbank beteiligt.
Und für sein Aktienpaket an der HRE sieht es gar nicht gut aus. Denn im Ausschuss sprach Jochen Sanio, Chef der deutschen Bankenaufsicht, sehr klare und eindringliche Worte an die Abgeordneten. Sanio plädierte dafür, das Gesetz inklusive der Enteignungsmöglichkeit zügig zu verabschieden. Sein Argument: Werde die HRE nicht bis Ende März mit zusätzlichen Milliarden Euro aus Staatskassen stabilisiert, müsse das Institut möglicherweise Insolvenz anmelden. Sanio warnte damit vor nichts weniger als einem ähnlichen Fall wie dem Bankrott der US-Bank Lehman Brothers, mit dem die Finanzkrise erst so richtig in Schwung kam.
Flowers Lage ist diese: Entweder er stimmt einem Kompromiss zu und verkauft seine Anteile für vielleicht 100 Millionen Euro an den Bund. Oder er wird enteignet - und bekommt nur den jetzigen Preis von rund 40 Millionen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen