HOCHWASSERHILFE: DIE AUFERSTEHUNG DER SYMBOLISCHEN POLITIK: Lebensmut durch Ordensflut
Nicht nur Sowjetmenschen liebten Orden als Belohnung für besondere Leistungen. Auch Erich Honecker soll im Laufe seines Kämpferlebens 281 Ehrenabzeichen gesammelt haben. Der „Sächsische Fluthelfer-Orden 2002“ war nicht dabei: Er wird am kommenden Sonntag erstmalig vergeben, und zwar an die ersten 400 freiwilligen und professionellen Einsatzkräfte in der Dresdner Semperoper bei Anwesenheit der gesamten Partei- und Staatsführung und zu den Klängen der Sächsischen Staatskapelle. Der Neusilberwert des Ordens (Erstauflage: inflationäre 50.000 Stück) beträgt fünf Euro, der moralische offensichtlich ein Vielfaches: Bisher haben sich 80.000 Bewerber bei der Sächsischen Staatskanzlei gemeldet.
Symbolische Politik hat also auch im Kapitalismus ihren Stellenwert – besonders dann, wenn’s der Markt allein wieder einmal nicht richtet. Haben wir schon nichts, so sind wir doch die besseren Menschen – mit dieser Erkenntnis ist Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) überraschend schnell in die Fußstapfen seines Vorgängers Kurt Biedenkopf getreten, dem das erzgebirgische Schlema übrigens gerade das erste Denkmal errichtet hat. Zyklische Wirtschaftskrise im Allgemeinen, Dauerkrise Ost im Besonderen, und dann noch Überfluss, nicht an Wohlstand, nein, an Wasser – da müssen schnell Hilfsgelder fließen, bevor der Aufbauwille erschöpft ist. Die SPD stimmte mit ein: „Der Wiederaufbau braucht Treibstoff!“ Und die PDS erinnerte sich gar des guten, alten DDR-„Nationalen Aufbauwerkes“ (NAW), aus dem nun ein „Neues Aufbauwerk“ wachsen soll. Angesichts dessen lebt auch das Landesmutterprinzip wieder auf. Angelika Meeth-Milbradt wacht gemeinsam mit einem Lenkungskreis über die Verteilung der Spenden. Justizminister Thomas de Maizière beschwört die zweite Chance zu wirklicher Einheit, die Perpetuierung des gesamtdeutschen Wir-Gefühls. Und wenn Kanzler Gerhard Schröder angesichts der Haushaltslöcher ausruft: „Gemeinsam werden wir es schaffen!“, riecht das auch nach Schlamm an den Gummistiefeln.
So feiert symbolische Politik im Freistaat und darüber hinaus grimmig-fröhliche Urständ – inklusive des politischen Profits, den die Ordensverleiher daraus ziehen. Denn der Sandsackschlepper empfindet nicht nur Lust, endlich mal was Sinnvolles zu tun, sondern auch Sehnsucht nach Anerkennung seines Tuns durch eine Autorität. Bei diesem Rollenspiel gewinnen beide, und die, die bis zur Erschöpfung geräumt und geschippt haben, sogar zu Recht. Schließlich hat die Katastrophe auch demonstriert, was eine motivierte Bürgerschaft jenseits alltäglich entfremdender Selbstausbeutung zu leisten vermag. MICHAEL BARTSCH
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