piwik no script img

■ H.G. HolleinI Love Lucy

Die Frau, mit der ich lebe, genügt mir nicht mehr. Ich habe das Wesen meiner Träume erblickt. Jeden Sonntag punkt 16 Uhr 55 versinkt alles um mich herum. Dann erscheint sie auf dem Bildschirm: LUCY LAWLESS ist XENA, die Kriegerprinzessin. Frei ragen die breiten Schultern aus dem ledernen Koller, an den kräftigen Hüften stets griffbreit das Schwert und eine sehr lange Peitsche. Einst verwüstete sie mit ihren Armeen ganze Landstriche, jetzt reitet sie irgendwo zwischen Tartaros und Troja bei RTL auf ihrem treuen Argo für das Gute – eine Frau und ihr Hengst. Ich fürchte nur, die Gefährtin ahnt etwas. Wenn beim sonntäglichen Nachmittagsspaziergang meine Schritte plötzlich schneller werden, ist da in letzter Zeit immer so ein spöttisches Zucken in ihren Mundwinkeln. Aber das ficht mich nicht an. Genausowenig wie das hochmütige „Ah ja“der Verkäuferin, als ich unlängst bei Thalia das „Buch zur Serie“bestellte, oder die pikierten Blicke der Umstehenden an der Kasse. Es schmerzte mich allerdings, feststellen zu müssen, daß meine Anbetung nicht konkurrenzlos ist. Band 1 war bereits vergriffen, und ich mußte mich mit dem Nachfolgetitel zufriedengeben. Aber die Käuferinnen sind sicher zumeist unreife junge Dinger, die sich mit dieser unsäglichen Gabrielle identifizieren, Xenas halbkindlichem Anhängsel und Objekt einer krypto-lesbischen Beziehung, die zu tolerieren mir durchaus nicht leicht fällt. Derweil bedarf es einiger – zugegeben unwürdiger – Anstrengungen, meine Lektüre und gelegentliche Ausflüge in das Fan-Netzwerk vor der Gefährtin zu verbergen. Vielleicht sollte ich aber auch Mut fassen, und mit meiner Leidenschaft offensiv umgehen. Die Gefährtin hat ja bald Geburtstag. Ein Plastikschwert und ein paar schenkelhohe Lederstiefel könnten doch als unverfänglicher Einstieg den Wandel durch Annäherung eröffnen. Später vielleicht noch ein Fitneßkurs, ein paar Reitstunden und dann...

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen