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Gutachten kratzt an GenehmigungZweifel an Offshore-Windparks

Wer Prachttaucher stört: Ein Gutachten des Naturschutzbundes Nabu sieht grobe Verstöße bei der Genehmigung von vier Nordsee-Projekten.

Offshore-Windparks rufen häufig Naturschützer auf den Plan. Bild: dpa

HAMBURG taz | Mehrere Windparks im deutschen Teil der Nordsee sind nach Auffassung des Naturschutzbundes (Nabu) zu Unrecht genehmigt worden. Der Umweltverband stützt sich dabei auf ein Rechtsgutachten, das er beim Tübinger Institut für Naturschutz und Naturschutzrecht in Auftrag gegeben hat.

„Bei allen untersuchten Windparks fällt auf, dass Wissenslücken stets pro Windparkbau interpretiert werden“, kritisieren die Gutachter. Dabei hätte im Sinne des Vorsorgeprinzips von einer Gefahr für Vögel oder Schweinswale ausgegangen werden müssen und die Parks hätten nicht genehmigt werden dürfen.

Die Gutachter haben die Genehmigungsbescheide des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) für die vier Offshore-Windparks Butendiek, Dan Tysk, Amrumbank West und Borkum Riffgrund II untersucht. Besonders prominent ist der Windpark Butendiek, weil er einstmals als Bürgerwindpark geplant und als erstes kommerzielles Projekt in der deutschen Nordsee genehmigt wurde. Heute bezeichnet ihn der Nabu als „Sündenfall in einer unzureichenden Gesamtstrategie für Windenergie vom Meer“.

Butendiek, 34 Kilometer vor Sylt, wurde schon 2002 genehmigt. Der Nabu hatte dagegen vergeblich geklagt und will jetzt, kurz vor dem Baubeginn im April, einen neuen Anlauf nehmen, um das später von einem großen Projektierer übernommene Projekt mit 80 Windrädern zu stoppen. „Das Baugebiet liegt inmitten zweiter Schutzgebiete für Schweinswale und Seevögel“, sagt Nabu-Geschäftsführer Leif Miller. Hier würden im späten Frühjahr die jungen Wale geboren, hier verbrächten sie ihre ersten Lebensmonate.

Dauerhaft beeinträchtigt würden außerdem die seltenen Stern- und Prachttaucher, die in dem Gebiet rasten und überwintern. „Sie sind sehr störanfällig, meiden Windparks großräumig und verlieren so dauerhaft weite Teile ihres Lebensraums“, kritisiert der Nabu. Die Gutachter gehen davon aus, dass alle vier Windparks während des Vogelzuges abgeschaltet werden müssten, um zu verhindern, dass in großer Zahl Vögel getötet würden. Der Nabu könne vom Bundesamt für Naturschutz verlangen, das durchzusetzen.

Das BSH versichert, seine Genehmigung für Butendiek sei rechtskräftig. „Obwohl zum Zeitpunkt der Genehmigung das Gebiet noch nicht als Flora-Fauna-Habitat(FFH)- oder als Vogelschutzgebiet ausgewiesen war, hat das BSH bei der Prüfung diese erhöhten Anforderungen an den Schutz der marinen Umwelt zugrunde gelegt“, sagt BSH-Präsidentin Monika Breuch-Moritz.

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2 Kommentare

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  • F
    Florian

    Der Zweck heiligt die Mittel?

    Hier kollidiert Klima- und Umweltschutz. Welcher Belang ist wichtiger? Bei Onshore-Windparks hätte der NABU sicherlich auch Einwände.

    Ich finde die Eingriffe bei Offshore-Windparks auf den ersten Blick vertretbar - zumindest scheinen sie doch annehmbarer als Kohlekraft oder andere, landflächenintensive Nutzungen zur Energieerzeugung.

  • J
    Josef Švejk

    Was jetzt?

    So wie die Begeisterung für die Windkraft bisher rüberkam -

    kann man dies ohnehin im günstigsten fall nur als "einseitig" bezeichnen.

     

    Nach den grundlegendsten Regeln der Physik kann Energie ja nicht erschaffen werden. Man kann sie nur aus einem System entnehmen.

    Dies bedeutet für das System einen Eingriff, es ist mit der Entnahme ein anderes als ohne.

    Das gilt für das Verfeuern von Kohle, das Spalten von Uran, das Bepflanzen von Maisäckern und Ölpalmenplantagen, das Aufstellen von Windrädern.

    Der Streit um die Bewertung, welche der System-Reaktionen "mehr schlimm", und welche "weniger schlimm" sind, ist offenbar in keinster Weise abgeschlossen.

    Wenn man die Sache mit der Energie schon den Ingenieuren und Naturwissenschaftlern aus der Hand nimmt -

    alle Ethik-Räte haben uns da bisher offenbar nicht entscheidend weiter gebracht.

    Nur ein Denkanstoß:

    Die Energieform, über der von ebendiesen Ethikräten der Daumen gesenkt wurde, geht nun gerade NICHT mit einer großräumigen Inanspruchnahme der Landschaft einher.

     

    Dimensionsmäßig geht es schlicht und einfach um SEHR VIEL Energie. Wer hier agäquat Kohlenstoff und Uran "ablösen" will, kann nur eine sehr intensive Ausbeutung der Landschaft in Kauf nehmen.