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Archiv-Artikel

Gut versichert

Arthur Millers „Tod eines Handlungsreisenden“ ist im Bremer Schauspielhaus ein etwas farbloses Drama – hat aber trotzdem Höhepunkte

Eigentlich muss man nicht erst ins Theater gehen, um sich die gescheiterten Lebensträume von Biff, Happy und ihren Eltern Linda und Willy Loman anzutun. In vielen deutschen Wohnzimmern der westlichen Welt wiederholen sich diese Szenen live und zum Nulltarif in epischer Breite. Arthur Millers „Tod eines Handlungsreisenden“, eine Geschichte über die Scheinwelt des Erfolges, hatte – als letzte Produktion dieser Spielzeit – im Schauspielhaus Premiere.

Hoffnung bekommt in Nicolai Sykoschs Inszenierung eine Perspektive aussichtsloser Enttäuschung. Biff (Reiko Küster) und Happy (Henrik Zimmermann) sind mal wieder zu Hause zu Besuch. Raumübergreifend schmücken die amerikanischen Stars and Stripes die Wände des elterlichen Eigenheimes. Mama und Papa freuen sich köstlich, doch unversehens wird aus dem Familienidyll ein Psychodrama mit tödlichem Ausgang. Der Grund: Keiner redet Tacheles.

Vater Willy (Detlev Greisner) gehört als Handlungsreisender längst zum alten Eisen, träumt aber als gescheiterter Wirrkopf von weltmännischer Ausstrahlung. Seine Provision reicht jedoch nicht einmal mehr, um die Reparaturkosten für den Kühlschrank zu decken. Seine tiefen Hoffnungen tragen allein seine Söhne.

Sie sollen es besser machen, Karriere mit einem Sportgeschäft, doch auch dieser Traum ist Utopie. Die beiden bringen es nicht. Im Keller wartet bereits ein kleiner Schlauch am Gashahn auf Willy Lomans Suizid, die Lösung für die Auszahlung der Lebensversicherung.

Mit geballter Faust träumt der Handlungsreisende wenigstens vom großen Sieg zum Final Countdown: Limousinen aus allen Teilen des Landes stehen am Friedhof, wenn er zu Grabe getragen wird.

Die dramatischen Geschichten jeder einzelnen Figur sind in der Inszenierung von Nicolai Sykosch schnell zu durchschauen. Ginge man während der Zweieinhalbstunden-Inszenierung ein paar Bierchen trinken, würde man nur kleine Höhepunkte verpassen: beispielsweise wie Streber Bernard (Hermann Book leider nur in einer Nebenrolle) es zwar geschafft hat, einen ersten Fall am obersten Gerichtshof lösen zu dürfen, aber mit psychopathischen Aussetzern für seinen Erfolg bezahlt.

Verpassen sollte man aber auf keinen Fall die letzten 30 Minuten der ansonsten etwas farblosen Inszenierung: die Abrechnung. Endlich packt Biff in einem mitreißenden Monolog aus, dass er nur eine Dreigroschen-Existenz ist, und dass Willy Loman die Wahrheit endlich begreifen solle. Biff erntet dafür nun die ehrliche Liebe seines Vaters, und – wenn wenigstens der ersehnte Selbstmord gut geht – wohl auch einen Teil der Lebensversicherung.

Michael Matz

Nächste Vorstellung: Mittwoch, 20 Uhr. Karten unter ☎ (0421) 36 53 333