: Gut geblufft und doch verloren
■ Pokerpartie vor dem Bremer Amtsgericht / Vier Polizisten, drei Jugoslawen, zwei Glücksspiele und eine Einstellung des Verfahrens / 560 Mark für die Staatskasse
Wer in seinem Heim pokert, pokert legal und auf eigenes Risko. Wer seiner Spielleidenschaft in einem Spielkasino nachgeht, tut dies zur Freude des Staates, denn der kassiert mit ab. Wer aber bei „Tonis Treff“, einer Kneipe in der östlichen Vorstadt, mit Karten in der Hand und Geld auf dem Tisch erwischt wird, der beteiligt sich an „illegalem öffentlichem Glücksspiel“ und findet sich im Zweifelsfall vor dem Bremer Amtsgericht wieder.
Die Beteiligung an einer Partie „Poker, welches ein Glücksspiel ist,“ wirft die Staatsanwaltschaft dem 39jährigen Schlosser Branco C. vor. Die Verdachtsmomente wiegen schwer: Als im September 1987 zwei Polizisten in Zivil in „Tonis Treff“ erscheinen, sitzen vier Jugoslawen an einem Tisch in einer Nische. Vor jedem liegt ein Bündel Scheine, in der
Mitte, im Pott, ein Haufen Münzen. Die Beamten, unterstützt von zwei Kollegen in Uniform, sacken das Geld ein und verfassen ein Protokoll: ein klarer Fall.
Mitnichten. Denn der Angeklagte und zwei Zeugen haben vor Gericht eine ganz andere Version zu bieten. Zwei verschiedene Kartenspiele seien an dem einen Tisch gespielt worden, sagt Branco C. Er habe mit einem anderen Jugoslawen eine Art „17
und 4“ gespielt, mal um eine Mark, mal um eine Runde Bier. Die anderen beiden am Tisch hätten gepokert. „Und da haben Sie nicht mitgespielt?“ fragt der Richter. „Wenn ich ein Spiel spiele, kann ich mich doch nicht noch an einem anderen beteiligen“, klärt der Angeklagte den Mann in der Robe über simpelste Regeln des Glücksspiels auf.
Wie aber, wenn es nur um kleine Einsätze ging, kamen die
560 Mark auf den Tisch vor Branco C.? Ganz einfach, wie ein Zeuge erklärt. Branco C. hatte ihm 500 Mark geliehen, und just eben gerade in den Moment bevor die Polizei kam, hatte er das Geld zurückgezahlt. „Ich möchte Sie nicht in einen Meineid treiben“, verzichtet der Staatsanwalt großzügig auf Vereidigung. Nachdem auch der andere Mitspieler und Zeuge die 500 Marks-Version bestätigt hat, ein dritter Mitzocker mit Motorschaden auf der Autobahn liegengeblieben sein will, verzichtet der Richter darauf, genauer zu erkunden, ob Angeklagter und Zeugen bluffen oder gute Karten haben und schlägt die Einstellung des Verfahrens vor. Nachteil für Branco C.: Die 560 Mark, die vor ihm auf dem Spieltisch lagen, gehen voll an einen, der gar nicht mitgespielt hat: den Staat.
hbk
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen